Subscribe to RSS
DOI: 10.1055/s-0035-1545296
Der angestellte Arzt in der nuklearmedizinischen Praxis
Publication History
Publication Date:
10 March 2015 (online)

Niedergelassene Ärzte sind einem sich ständig wandelnden GKV-System ausgesetzt. Die rechtlichen Rahmenbedingungen sind vielschichtig und einem steten Wandel unterworfen. SGB V, Zulassungsverordnung-Ärzte, Bundesmantelvertrag-Ärzte, Bedarfsplanungsrichtlinie-Ärzte, Regelleistungsvolumen, Anforderungen der Qualitätssicherung, um nur einige Beispiele zu nennen. Wird beabsichtigt, angestellte Ärzte zu beschäftigen, kommt noch das Arbeitsrecht mit den Problempunkten Arbeitsvertrag, Kündigung und Kündigungsschutz hinzu. Im Folgenden werden die vertragsarzt- und arbeitsrechtlichen Grundlagen dargestellt.
Gemäß § 1a Satz 1 Nr. 8 Bundesmandelvertrag-Ärzte handelt es sich bei dem angestellten Arzt um einen Arzt mit genehmigter Beschäftigung in einer Arztpraxis oder einem medizinischen Versorgungszentrum. Gemäß § 95 Abs. 9 SGB V i. V. m. § 32b Ärzte-ZV sind allgemeine Vorgaben zu beachten. Danach kann der Vertragsarzt mit Genehmigung des Zulassungsausschusses Ärzte, die in das Arztregister eingetragen sind, anstellen. Dabei besteht die Möglichkeit der Anstellung von (auch) fachgebietsfremden Ärzten (z. B. Radiologe). Dabei ist die zahlenmäßige Beschränkung von bis zu 4 Ärzten zu beachten. Auf einen sogenannten Angestelltensitz können anteilig bei medizinisch-technischen Leistungen bis zu 4 Ärzte angestellt werden. Jeder angestellte Arzt ist dabei in der Bedarfsplanung zu berücksichtigen. Der Praxisinhaber erhält über den Angestelltensitz ein zusätzliches Abrechnungskontingent, es sei denn, es handelt sich um ein Jobsharing-Verhältnis im Sinne des § 101 Abs. 3 SGB V. Der angestellte Arzt wird Zwangsmitglied in der Kassenärztlichen Vereinigung, wenn er mindestens halbtags (Faktor 0,5) beschäftigt wird. Gerade die Möglichkeit der anteiligen Beschäftigung in der nuklearmedizinischen Praxis bedeutet eine gleichzeitige Vereinbarkeit mit einer Tätigkeit im Krankenhaus oder einem medizinischen Versorgungszentrum gemäß § 20 Abs. 2 S. 2 Ärzte-ZV.
Durch das GKV-Versorgungsstrukturgesetz vom 01.01.2012 wurde die Angestelltenregelung nach § 95 Abs. 9b SGB V und § 32b Abs. 5 Ärzte-ZV der Gestalt flexibilisiert, dass der Angestelltensitz auf Antrag des Praxisinhabers in eine übliche Zulassung umgewandelt werden kann. Ein Nachbesetzungsverfahren gemäß § 103 SGB V ist nicht erforderlich. Gerade die Möglichkeit der einfachen Umwandlung eines Angestelltensitzes auf Antrag des Praxisinhabers in eine normale Zulassung bedeutet, dass auf die noch teilweise anzutreffende Scheingesellschafterstellung in Berufsausübungsgemeinschaften verzichtet werden kann. Im Rahmen der Kennenlernphase kann ein Angestelltenverhältnis gewählt werden, um anschließend zu entscheiden, ob eine Aufnahme des Angestellten in den Partnerstatus erfolgen soll. Das Risiko einer Nullbeteiligungsgesellschaft ist damit auch im Rahmen einer Kennenlernphase nicht mehr zwingend einzugehen. Noch bestehende Scheingesellschaftskonstruktionen sollten schnellstens die Möglichkeit der Anstellung nutzen. Dies nicht zuletzt wegen der aktuellen Rechtsprechung des Finanzgerichts Düsseldorf. Mit Urteil vom 19.09.2013–11 K 3968/11 entschied das Finanzgericht, dass die gesamten Einnahmen der Arztpraxis zu gewerblichen Einnahmen werden, sobald ein Mitglied der Gemeinschaftspraxis nicht Mitunternehmer sei. Diese fehlende Mitunternehmerstellung bejahte das Finanzgericht bei ausschließlicher Gewinnbeteiligung aus dem eigenen Honorarumsatz.
Nach § 1a S. 1 Nr. 24, 25 Bundesmantelvertrag-Ärzte treffen den angestellten Arzt sowie den Praxisinhabern Pflichten in Bezug auf die persönliche Leistungserbringung und die persönliche Leitung der Arztpraxis. Dabei stellt die persönliche Leistungserbringung die durch gesetzliche und vertragliche Bestimmungen näher geregelte Verpflichtung des Vertragsarztes bzw. des angestellten Arztes zur unmittelbaren Erbringung der vorgesehenen medizinischen Leistungen, auch im Rahmen zulässiger Delegationen, dar. Die persönliche Leistungserbringung ist „Kardinalspflicht“ des Vertragsarztes und ist ernst zu nehmen, will man nicht erhebliche Restriktionen provozieren. Die persönliche Leistungserbringungsverpflichtung nach § 15a Bundesmantelvertrag-Ärzte erfüllt der Praxisinhaber insoweit dadurch, dass die Leistungen der angestellten Ärzte dem Praxisinhaber als Eigenleistungen zugerechnet werden. Dem Praxisinhaber werden die ärztlichen selbstständigen Leistungen des angestellten Arztes zugerechnet, auch wenn sie in der Betriebsstätte oder Nebenbetriebsstätte der Praxis in Abwesenheit des Vertragsarztes erbracht werden.
Die persönliche Leitung der Arztpraxis setzt voraus, dass nach den bei der Praxis beschäftigten angestellten Ärzten im Hinblick auf deren Zahl, Beschäftigungsumfang und Tätigkeitsinhalt sichergestellt ist, dass der Praxisinhaber den Versorgungsauftrag im notwendigen Umfang auch persönlich erfüllt und dafür die Verantwortung übernehmen kann. In Fällen, in denen der Vertragsarzt angestellte Ärzte beschäftigen darf, ist sicherzustellen, dass der Vertragsarzt die Arztpraxis auch persönlich leitet, § 14a Abs. 1 BMV-Ä. Die persönliche Leitung ist anzunehmen, wenn je Vertragsarzt nicht mehr als 3 vollzeitbeschäftigte Ärzte angestellt werden. Bei Vertragsärzten, wie im Fachbereich der Nuklearmedizin, welche überwiegend medizinisch-technische Leistung erbringen, wird die persönliche Leitung auch bei der Beschäftigung von bis zu 4 vollzeitbeschäftigten Ärzten vermutet. Soll also die Genehmigungen eines Vierten angestellten Arztes im Bereich der Nuklearmedizin oder auch Radiologie mit dem Argument der fehlenden persönlichen Leitung abgelehnt werden, müsste der Zulassungsausschuss die gesetzliche Vermutung nach § 14a Abs. 1 BMV-Ä der Gestalt erschüttern, dass er Anhaltspunkte vorträgt, die gegen diese Vermutung sprechen.
Seit dem 01.10.2013 gilt der neue § 14a Abs. 2 Bundesmantelvertrag-Ärzte. Danach ist die Beschäftigung eines anzustellenden Arztes eines (anderen) überweisungsgebundenen Fachgebietes gemäß § 13 Abs. 4 Bundesmantelvertrag-Ärzte nunmehr zulässig. War die Anstellung eines anderen Angehörigen eines überweisungsgebundenen Fachgebietes bis dahin von den Zulassungsausschüssen abgelehnt worden, besteht nunmehr die Möglichkeit der wechselseitigen Anstellung von Nuklearmediziner, Radiologen oder auch Orthopäden.
Auch im Rahmen der Bedarfsplanungsrichtlinien ist auf eine Neuerung in § 21 Abs. 5 aufmerksam zu machen. Danach ist bei der Umwandlung einer Anstellung in eine Zulassung der Arzt, der bisher als Angestellter mit dem Faktor 0,75 gezählt wurde, voll zuzulassen, also mit dem Faktor 1 zu führen. Dies bedeutet quasi eine Vermehrung der Versorgungsaufträge durch die Hintertür. Die jeweiligen Zulassungsausschüsse werden bei dem Versuch der eigenen kreativen Bedarfsplanung sicherlich schnell die Rechtsauffassung eines rechtsmissbräuchlichen Verhaltens vertreten.
Unabhängig davon ist Vorsicht bei unbedachter Erlösoptimierung geboten. Durch die Beschäftigung „nicht genehmigter“ oder „nicht-so“ genehmigter Angestellter wird schnell der Verdacht des Abrechnungsbetruges provoziert. So sollte keinesfalls im Anstellungsvertrag eine Mindeststundenzahl von 31 wöchentlich im GKV-Bereich vereinbart werden, wenn im Vorfeld schon klar ist, dass höchstens 20 Sprechstunden geleistet werden. Die auf dem ersten Blick harmlose Gestaltung birgt die Gefahr eines Disziplinarverfahrens, der sachlich-rechnerischen Berichtigung der Abrechnung durch die Kassenärztliche Vereinigung sowie eines strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens wegen unter Umständen gewerbsmäßigen oder gar bandenmäßigen Abrechnungsbetrugs.
Bei diesen Fallstricken des Praxisalltags ist es umso wichtiger, vertragsarzt- und arbeitsrechtliche Problemfelder kennen und einschätzen zu lernen.
Bei der Vertragsgestaltung des ärztlichen Anstellungsverhältnisses ist dabei der Vertragsarztstatus sowie das Arbeitsrecht auseinanderzuhalten. Vertragsarztrechtlich hat der Arbeitgeber die Verfügungsgewalt über die Angestelltenstelle. Er kann durch einseitige Erklärung gegenüber dem Zulassungsausschuss den Status des Angestellten negieren. Es besteht im Vertragsarztrecht die Mitteilungspflicht gegenüber der Kassenärztlichen Vereinigung nach §§ 21, 51 der Bedarfsplanungsrichtlinien-Ärzte, sollte sich der wöchentliche Stundenumfang zum genehmigten Status verändern. Auch sollten im Arbeitsvertrag Regelungen zur Nachbesetzung eines Angestellten inklusive einer damit einhergehenden möglichen Kündigung sowie der anteiligen Beschäftigung aufgenommen werden. Im Arbeitsvertrag ist zudem klarzustellen, dass das Arbeitsverhältnis „steht und fällt“ mit der Genehmigung als angestellter Arzt. Es ist zu klären, ob ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot im Arbeitsvertrag aufgenommen werden soll. Konsequenz wäre die Notwendigkeit der Abfindungszahlung nach § 74 Abs. 2 HGB analog. Wichtig ist im Arbeitsvertrag zudem zu bedenken, dass Gratifikationen nur unter Freiwilligkeitsvorbehalt gezahlt werden und eine Ausschlussklausel für die Rechte des Arbeitnehmers bzw. Arbeitgebers nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses Vertragsbestandteil ist.
Eine in der Praxis immer wiederkehrende Sorge ist die Anwendbarkeit des Kündigungsschutzgesetzes. Zu beachten ist dabei, dass auch Leiharbeitnehmer der Industrie oder Krankenhausträger in der Regel bei der Berechnung der Betriebsgröße zu berücksichtigen (Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 24.01.2013–2 AZR 140/12) sind. Eine weitere praktische Fragestellung ist, ob eine ausgesprochene Kündigung der Begründungspflicht unterliegt. Ist die Angabe einer Begründung im Arbeitsvertrag verpflichtend aufgenommen, so handelt es sich nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts um ein konstitutives Schriftformerfordernis. Eine Kündigung ist damit schriftlich auszusprechen (BAG, Urteil vom 25.10.2012–2 AZR 845/11). Inwieweit eine außerordentliche Kündigung gerechtfertigt ist, ist ebenfalls immer wieder Streitpunkt vor den Arbeitsgerichten. So urteilte das Bundesarbeitsgericht kürzlich in seinem Urteil vom 19.04.2012 (2 AZR 258/11), dass bei sexueller Belästigung am Arbeitsplatz in der Regel ein Abmahnerfordernis besteht. Eine außerordentliche Kündigung sei nur dann gerechtfertigt, wenn Umfang, Intensität und die Folgen der sexuellen Belästigung am Arbeitsplatz weitreichend sind. Auch bei der privaten Internetnutzung sieht das Bundesarbeitsgericht in seinem Urteil vom 19.04.2012 (2 AZR 186/11) zunächst ein Abmahnerfordernis, bevor eine außerordentliche Kündigung ausgesprochen werden darf. Letztendlich darf der Arzt als Arbeitgeber heimlich Videoaufnahmen durchführen, wenn der konkrete Verdacht einer Straftat oder einer anderen schweren Verfehlung durch einen seiner Mitarbeiter besteht, so Bundesarbeitsgericht (Urt. v. 21.06.2012–2 AZR 153/11).
Nach alledem: Der angestellte Arzt kann durchaus das Mittel der Wahl sein. Es gibt dabei jedoch zahlreiche rechtliche Rahmenbedingungen zu beachten, die eine sorgfältige Beratung erfordern.