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DOI: 10.1055/s-0035-1557697
Doppeldiagnose – Borderline-Persönlichkeitsstörung und Sucht
Einleitung: In den letzten Jahren hat das Interesse am Thema Doppeldiagnose zunehmend an Bedeutung gewonnen. Hierunter wird das gleichzeitige Auftreten einer substanzbedingten und mindestens einer weiteren psychischen Störung verstanden. Die Zusammenhänge zwischen den Störungsbildern sind komplex und nicht zwingend unidirektional zu verstehen. Dadurch werden besondere Herausforderungen an die professionell Helfenden und an das Hilfesystem gestellt. Die Angebotsstrukturen außerhalb der psychiatrischen Kliniken differenzieren sich bisher überwiegend für Menschen mit psychischen Störungen und davon abgegrenzt für Menschen mit Suchterkrankungen. Der Beitrag legt seinen Fokus auf die psychische Störung „Borderline-Persönlichkeitsstörung“, da dieser Personenkreis nicht nur besonders gefährdet ist eine Abhängigkeitserkrankung zu entwickeln, sondern auch das Helfersystem vor neue Aufgaben stellt. Um auf ihre spezifischen Bedürfnisse eingehen zu können, wird eine personenzentrierte integrative Behandlung benötigt. Menschen mit einer Borderline-Persönlichkeitsstörung und einer Suchtstörung sind nicht nur instabiler und impulsiver als Borderline-PatientInnen ohne Abhängigkeitserkrankung, sondern neigen auch vermehrt zu suizidalem Verhalten und Therapieabbrüchen. Dadurch kommt es zu einer deutlich schlechteren sozialen Prognose.
Modellvorstellungen: Die Datenlage zum Thema Doppeldiagnose ist dürftig. So lassen sich empirisch fundierte Ätiologiemodelle nur begrenzt finden. Gemeinsam ist ihnen, dass vor allem drei Typen von Komorbiditätsmodellen bei Doppeldiagnosen angeführt werden. Dabei handelt es sich um uni- oder bidirektionale Kausalbeziehungen sowie um das Modell der gemeinsamen Faktoren. Bei Menschen mit einer Borderline-Persönlichkeitsstörung wird von einer primären Persönlichkeitsstörung und einer sekundären Suchterkrankung ausgegangen, d.h., es wird die Selbstmedikationshypothese, erweitert um die Selbstregulation der Emotionen durch Suchtmitteleinnahme, als Erklärung genutzt. Anspannungszustände, Ängste und Aggressionen sowie Gefühle von innerer Leere können durch die Substanzeinnahme situativ abgemildert werden. Möglichkeiten der Intervention liegen besonders in psychotherapeutischen Verfahren, insbesondere in der Dialektisch-Behavioralen Therapie sowie der Technik der motivierenden Gesprächsführung.
Diskussion: Doppeldiagnosen sind die Regel, nicht die Ausnahme! Bei Menschen mit einer Borderline-Persönlichkeitsstörung kommen Suchtstörungen häufig vor. Die Praxis zeigt, dass bei einer primären Suchtmittelabhängigkeit suchtspezifische Interventionen zur Anwendung kommen, während es bei einer vordergründigen Persönlichkeitsstörung insbesondere störungsspezifische Interventionen sind. Allerdings hat nur die Behandlung der Suchterkrankung allein einen geringen Effekt auf den Verlauf der psychischen Erkrankung. Schlussfolgern lässt sich, dass die Therapie der Persönlichkeitsstörung im Rahmen von integrativen Ansätzen verstärkt in den Fokus der Suchtbehandlung gerückt werden muss.