Suchttherapie 2015; 16 - P_34
DOI: 10.1055/s-0035-1557728

Eye tracking und Substanzkonsum – Indikatoren für Suchtanfälligkeit im Blickbewegungsverhalten

I Amon 1, E Oberhauser 2, F Wurst 3, T Kaltenbacher 1, N Thon 3, C Geretsegger 2, H Haider 4
  • 1Fachbereich für Linguistik, Universität Salzburg, Österreich
  • 2Universitätsklinik für Psychiatrie und Psychotherapie, Christian-Doppler-Klinik, Salzburg, Österreich
  • 3Paracelsus Medizinische Privatuniversität Salzburg, Österreich
  • 4Fachbereich für Linguistik & Center for Cognitive Neuroscience, Universität Salzburg, Österreich

Einleitung: Durch die Art und Beschaffenheit der Blickbewegungen kann man Rückschlüsse auf Verarbeitungsprozesse ziehen (McConkie & Yang, 2003). Personen mit einer Alkoholabhängigkeitserkrankung weisen andere Blickbewegungsmuster beim Lesen suchtmittelbezogener Texte und beim Betrachten von Bildern auf als bei Texten ohne Suchtmittelbezug. In verschiedenen Studien, in denen das Blickverhalten von abhängigen Personen untersucht wurde, standen die Komplexität der Stimuli (Miller & Fillmore, 2010), die geteilte und präferierte Aufmerksamkeit (Friese et al., 2010) und auch die Vorhersagbarkeit bezüglich einer Abhängigkeit (Cox et al., 2002) im Vordergrund. Bisher wurden in Studien nur Bildmaterial (Ceballos et al., 2009) oder Einzelworte (Friese et al., 2010) untersucht, wohingegen das Leseverhalten zusammenhängender Texte im Kontext von Substanzabhängigkeit noch nicht betrachtet wurde. Im Rahmen der Pilotstudie sollte untersucht werden, ob das Blickverhalten der Experimentalgruppe Unterschiede beim Lesen alkoholbezogener Texte im Vergleich zur Kontrollgruppe aufweist. Es wurden die Anzahl und die Dauer der Fixationen auf diese definierten Wörter gemessen. Es liegt ein Ethikvotum liegt.

Methoden: Alkoholbezogene und neutrale Wörter, die in Wortkategorie, Länge und weitestgehend in syntaktischer Funktion und Frequenzkategorie übereingestimmt waren, wurden jeweils paarweise zusammengefasst. Diese Wörter wurden in Texte (mit ca. 50 Wörtern) eingebettet (insgesamt 40 Texte) und dabei das Blickbewegungsverhalten der Experimental- (n = 8; MW = 48,63; SD = 7,42) und der Kontrollgruppe (n = 7; MW = 44,17, SD = 8,86) mittels eines Eyetrackers aufgezeichnet. Bei der Experimentalgruppe handelte es sich um stationäre Patienten mit der Diagnose der Alkoholabhängigkeit, die einen qualifizierten Alkoholentzug in der Universitätsklinik für Psychiatrie und Psychotherapie in Salzburg machten. Die Kontrollpersonen wiesen keine Alkoholabhängigkeit auf. Die Kontroll- und die Experimentalgruppe waren hinsichtlich Alter, Bildungsgrad und Geschlechterverteilung gleich. Vor der Erhebung füllten die Versuchspersonen den alcohol use disorder identification test (AUDIT), und die Befindlichkeitsskala aus.

Ergebnisse: Bei der Anzahl und Dauer der Fixationen sowie beim Auftreten von Regressionen beim Lesen alkoholbezogener Texte konnten keine signifikanten Unterschiede (p > 0,05) zwischen der Experimental- und der Kontrollgruppe festgestellt werden. Die Ergebnisse weisen aber darauf hin, dass die Mehrheit der Probanden der Experimentalgruppe die Stimuli, die von ihnen als bevorzugter Alkohol („Lieblingsalkohol“) angegeben wurden, intensiver fixieren, als die deren zugeordnete neutrale Kontrollwörter. Im Mittel übersteigt die Rate für die bevorzugten Stimuli um 16,4% die Rate für die nicht bevorzugten Stimuli.

Diskussion: Die Pilotstudie gibt einen Hinweis darauf, dass alkoholabhängige Personen längere Fixationszeiten bei ihrem Lieblingsalkoholgetränk haben, als bei den nicht präferierten Alkoholsorten. Diese ermittelten Tendenzen geben interessante Aufschlüsse über die Blickbewegungsmuster bei Personen mit einer Alkoholabhängigkeitserkrankung und sollen im Rahmen einer Weiterführung dieser Pilotstudie weiter verfolgt werden.