Zahnmedizin up2date 2015; 9(05): 387-388
DOI: 10.1055/s-0035-1558126
Journal Club
Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Okklusionsstörung = Kiefergelenkserkrankung?

Contributor(s):
B. Weiland
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Publication Date:
21 September 2015 (online)

Manfredini D, Perinetti G, Stellini E et al. Prevalence of static and dynamic dental malocclusion features in subgroups of temporomandibular disorder patients: Implications for the epidemiology of the TMD-occlusion association. Quintessence Int 2015; 46: 341–349

In welchem Ausmaß dentale Okklusionsstörungen einen Risikofaktor für Kiefergelenkserkrankungen (TMD) darstellen, wird in der Literatur kontrovers diskutiert. Den nach Ansicht der Autoren in der Vergangenheit deutlich überschätzten Zusammenhang zwischen Malokklusion und TMD untersuchten Manfredini et al. in der vorliegenden Studie an 625 TMD-Patienten. Jeder Patient wurde einer von vier Gruppen mit unterschiedlichen TMD-Befundkonstellationen zugeordnet: Schmerzfreiheit trotz Vorliegen von Diskusdislokation und/oder Arthrose (n = 302), muskulärer Schmerz (n = 80), isolierter Gelenkschmerz (n = 113) sowie Schmerz sowohl muskulär als auch im Kiefergelenk (n = 130). Die dentale Okklusion eines jeden Patienten wurde hinsichtlich statischer und dynamischer Anomalien untersucht. Wie häufig statische bzw. dynamische Okklusionsstörungen im Zusammenhang mit einem schmerzhaften TMD-Befund auftraten, wurde mittels des Korrelationskoeffizienten φ (Phi) bestimmt. Ihre Ergebnisse verglichen die Autoren mit Literaturangaben zur Prävalenz von Okklusionsstörungen in der Normalbevölkerung.

Manfredini et. al stellten fest, dass kein Zusammenhang zwischen den verschiedenen festgestellten Okklusionsstörungen und dem Vorliegen von schmerzhaften Kiefergelenkerkrankungen bestand. Die Verteilung der diversen Okklusionsstörungen war in den vier TMD-Gruppen ähnlich. Dynamische Okklusionsstörungen konnten bei der Gesamtheit der untersuchten Patienten (75 % weiblich, 25 % männlich) öfter diagnostiziert werden als statische. Zu den dynamischen Okklusionsstörungen wurden Vorkontakte bei Medio- und Laterotrusion (42,9 % bzw. 29,9 %) sowie eine Gleitstrecke von retraler Kontaktposition zu maximaler Interkuspidation (RCP-MI) größer als 2 mm (42,2 %) gezählt. Von den statischen Okkusionsstörungen war ein posteriorer Kreuzbiss mit 25,0 % am häufigsten festzustellen, ein frontal offener Biss mit 7,4 % am seltensten. Die Häufigkeit der eruierten statischen Okklusionsstörungen bei TMD-Patienten korrelierte mit Literaturangaben zur Häufigkeit in der Normalbevölkerung; zur Prävalenz von dynamischen Okklusionsstörungen lagen keine Literaturangaben vor.

Die Autoren resümieren, dass das Auftreten von Okklusionsstörungen bei TMD-Patienten mit der gleichen Häufigkeit wie in der Normalbevölkerung zeige, wie gering der Einfluss der dentalen Okklusion auf die Ausprägung von Kiefergelenkerkrankungen sei. Dies bedeute einen Paradigmenwechsel in Diagnostik und letztlich auch Therapie von Kiefergelenkerkrankungen.

Fazit Dentale Okklusionsstörungen treten bei gesunden und TMD-Patienten mit gleicher Häufigkeit auf. Malokklusion sollte daher nicht als ein Hauptrisikofaktor für Kiefergelenkerkrankungen gesehen werden.