Geburtshilfe Frauenheilkd 2015; 75 - P01
DOI: 10.1055/s-0035-1558367

Ist Endometriose eine progrediente Erkrankung? Morphologische Befunde zur Klärung dieser klinisch relevanten Frage

R Schutz 1, J Woziwodzki 2, P Drazic 1, KW Schweppe 1
  • 1Frauenklinik Ammerland, Endometriosezentrum, Westerstede, Deutschland
  • 2Pathologie Aurich-Westerstede, Westerstede, Deutschland

Einleitung:

Man schätzt, dass etwa 10% aller Frauen im Reproduktionsalter eine Endometriose haben und dass bei Sterilitätspatientinnen die Inzidenz bis 50% ansteigt. Sie ist eine östrogenabhängige benigne proliferative Erkrankung, wobei die Datenlage zur Progression dürftig ist und sich auf Tiermodelle und laparoskopische Befunde bei Patientinnen stürzt (1).

Fragestellung:

Wenn die Endometriose eine proliferative Erkrankung ist, dann sollte mit zunehmendem Alter der Schweregrad der Erkrankung zunehmen. Morphologisch bedeutet das, dass die Ausdehnung und die Invasionstiefe zunehmen müssten und die Proliferation sich ebenfalls verändern dürfte.

Material und Methode:

Wir untersuchten die histologischen Präparate von 146 Endometriosepatientinnen aus dem Jahr 2014 retrospektiv anhand der HE gefärbten Schnitte und bestimmten lichtmikroskopisch Durchmesser der Herde, Invasionstiefe und semiquantitativ die proliferative Aktivität. Es wurden drei unterschiedliche Gruppen untersucht: Kollektiv A = unbehandelte Endometriose (n = 75); zum Vergleich 71 Fälle mit behandelter Endometriose. Davon Kollektiv B = Fälle unter Gestageneinfluss (n = 46) [mit oder ohne Ethinylestradiol] und Kollektiv C = Fälle unter GnRH-Analoga Behandlung (n = 25).

Ergebnisse:

Im Gesamtkollektiv finden sich die kleinen Herde unter 2 mm Durchmesser in der jüngsten Altersklasse (unter 21 Jahre) mit abnehmender Tendenz bei zunehmendem Alter. Umgekehrt nehmen die großen Herde (über 5 mm) mit dem Alter zu, während die mittlere Größe (2 – 5 mm) keine Tendenz erkennen lässt und in allen Altersklassen ähnlich häufig vorkam. Gleiches lässt sich für die Invasionstiefe als auch für die proliferative Aktivität zeigen, wobei die Veränderungen – auch wegen der kleinen Fallzahl in den Untergruppen – nicht signifikant sind. Da jede endokrine Therapie auf Grund ihrer antioöstrogenen Wirkungsmechanismen die östrogenabhängige Proliferation potenziell reduziert, haben wir die Endometrioseherde von Frauen, die die beiden Haupttherapieoptionen – Gestagenbehandlung oder GnRH-Analogon-Suppressionstherapie – erhielten, ebenfalls untersucht. Wir fanden eine ähnliche Verteilung. Geringe Herdgröße, wenig Invasion und geringe Proliferation in den jungen Altersklassen und fortgeschrittene Befunde mit mehr Proliferation in höherem Alter. Auch hier eine Tendenz, denn eine statistische Signifikanz ließ sich nicht zeigen.

Schlussfolgerung:

Die Endometriose ist nach morphologischen Gesichtspunkten eine Erkrankung mit variationsreichem Erscheinungsbild sowohl hinsichtlich Ausdehnung und Invasion als auch Proliferation in den verschiedenen Altersklassen. Tendenziell schreitet die Erkrankung mit zunehmendem Alter fort, wobei sich erhebliche individuelle Unterschiede in der Progression zeigen. Dies und die für die einzelnen Untergruppen zu geringe Fallzahl könnte die fehlende Signifikanz in unserer Studie erklären.

[1] Savaris, R.F., Nichols, H., Lessey, B. Endometriosis and the enigmatic question of progression. JEPPD, 6 (2014) 121 – 126