Z Gastroenterol 2015; 53 - KC089
DOI: 10.1055/s-0035-1559479

Inzidentalome der Leber: Interdisziplinäre Herausforderung und chirurgische Therapie

A Semaan 1, P Lingohr 1, A Marowsky 1, V Branchi 1, S Enkirch 2, B Stoffels 1, J Kalff 1, N Schäfer 1, H Matthaei 1
  • 1Universitätsklinikum Bonn, Klinik und Poliklinik für Allgemein-, Viszeral-, Thorax- und Gefäßchirurgie, Bonn, Deutschland
  • 2Universitätsklinikum Bonn, Radiologische Klinik, Bonn, Deutschland

Hintergrund: Durch hochauflösende Schnittbilddiagnostik werden unklare Zufallsbefunde der Leber, sogenannte „Inzidentalome“, immer häufiger entdeckt. Ein Großteil dieser Leberinzidentalome (LI) ist benigne und bedarf keiner Behandlung. Oft kann jedoch eine maligne Entartung nicht sicher ausgeschlossen werden. In diesem Dilemma ist das diagnostische und therapeutische Vorgehen weiterhin nicht standardisiert. Anhand von neuen Guidelines analysierten wir unsere Erfahrung mit LI am Universitätsklinikum Bonn. Ziel war dabei eine weitere Optimierung und Individualisierung der Behandlung.

Material und Methoden: Es erfolgte eine retrospektive Analyse aller Patienten, die 2005 – 2013 aufgrund eines asymptomatischen LI in unserem Hause chirurgisch behandelt wurden. Demographische, klinische und pathologische Daten wurden erhoben und statistisch analysiert.

Ergebnisse: Bei 80 Patienten (37 männlich, 43 weiblich) wurde eine Leberteilresektion aufgrund eines LI durchgeführt. 39 Läsionen (49%) waren maligne und 41 (51%) benigne. HCCs (n = 24, 30%) stellten die häufigste Diagnose, gefolgt von FNHs (n = 19, 24%), CCCs (n = 10, 13%), Hämangiomen (n = 7, 9%), Echinokokkuszysten (n = 5, 6%) und Lebermetastasen (n = 4, 5%). Das mittlere Alter betrug 57 Jahre (17 – 83 Jahre). Sowohl „Alter“ (68 vs. 47 Jahre, p < 0,001, RR 35,7) als auch „männliches Geschlecht“ (67% vs. 33%, p < 0,01, OR 5,455) waren unabhängige Risikofaktoren für das Vorhandensein eines Malignoms. Bei 51 Patienten (64%) wurde die präoperative Verdachtsdiagnose histologisch bestätigt. Die Morbidität betrug 36% und die Mortalität 1%. Patienten mit malignen Läsionen zeigten eine längere Hospitalisierungszeit (15 vs. 9 Tage, p < 0,01), eine längere Operationsdauer (257 min vs. 200 min, p = 0,01) und eine höhere Komplikationsrate (49 vs. 27%, p = 0,024).

Schlussfolgerung: Trotz des technischen Fortschritts diagnostischer Verfahren stellen asymptomatische LI weiterhin eine interdisziplinäre Herausforderung dar. Auch wenn die chirurgische Therapie immer sicherer wird, sollte die nichtinvasive präoperative Diagnostik künftig verbessert werden, um die optimale Behandlung der LI zu garantieren. Eine Leberteilresektion ist bei unsicherer Diagnose besonders bei älteren männlichen Patienten indiziert, da maligne Tumoren hier besonders häufig vorliegen.