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DOI: 10.1055/s-0035-1559628
Komplikationen vorbeugen und bewältigen
Publikationsverlauf
Publikationsdatum:
14. September 2015 (online)
Postoperative Komplikationen
Blutung
Bei einer starken Blutung innerhalb weniger Tage kann man zunächst versuchen, mit einer Tamponade zurechtzukommen. In den meisten Fällen muss aber einer der Äste der A. sphenopalatina chirurgisch versorgt werden.
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Adhäsionen
Adhäsionen treten nach Schleimhautläsionen an korrespondierenden Oberflächen auf ([Abb. 1]).
Es ist deshalb wichtig, Platz zu schaffen und die Mukosa mit Sorgfalt zu behandeln. Dies gilt vor allem für die Riechspalte. Die Patienten sollen angeleitet werden, die Nase mehrmals am Tag kräftig zu spülen. Nach 1 Woche soll sich der Patient wieder vorstellen, um Stränge aus fibrösem Exsudat entfernen zu lassen. Wir konnten nicht feststellen, dass Splints oder Steroidcremes die Situation verbessern. Diese scheinen im Gegenteil häufig Schleimhautverletzungen zu verursachen und die Fibrosierung zu stimulieren. Ähnlich scheint auch früheres Debridement die Heilung zu verzögern und die Fibrosierung anzuregen.
Sind Adhäsionen schon präoperativ vorhanden, genügt eine einfache Durchtrennung nicht, um zu verhindern, dass sie sich erneut bilden. Ein Teil der Adhäsionen muss mit einer scharfen Stanze abgetragen werden, um mehr Raum zu schaffen. Spülungen und ein Debridement nach 1 Woche sind erforderlich.
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Tränenfluss
Der Tränensack kann bei der Anlage einer meatalen Antrostomie leicht verletzt werden, da der Processus uncinatus direkt am Tränenbein in unmittelbarer Nachbarschaft des Tränen-Nasen-Gangs ansetzt ([Abb. 2]).
Der beste Weg, dies zu vermeiden, besteht darin, das Ostium nicht nach vorn hin zu erweitern. Muss die Kieferhöhlenöffnung ausnahmsweise nach vorn erweitert werden, um einen verbesserten Zugang oder Abfluss zu schaffen, dann wird der Processus uncinatus am besten von retrograd mit einem Back-Biter entfernt. Wenn man dabei mehr als nur die geringste Kraftanwendung benötigt, hat man mit Sicherheit den Tränensack mit den Branchen gefasst. Man sollte dann unbedingt den Griff lockern und den Knochen nicht abtragen.
Augentränen in den ersten Tagen nach der Operation sistiert häufig von allein. Persistiert es, behebt eine endonasale Dakryozystorhinostomie das Problem.
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Periorbitales Emphysem
Nach einer operativen Verletzung der Lamina papyracea wird durch Schnäuzen oder Niesen Luft in die Orbita gepresst ([Abb. 3]). Auch der Anästhesist sollte angewiesen werden, nach der Extubation vorsichtig bei der Beatmung mit der Gesichtsmaske zu sein. Ein postoperatives Emphysem resorbiert sich von allein, wenn der Patient sich nicht noch mehr Luft einbläst. Die prophylaktische Gabe eines Antibiotikums verhindert eine periorbitale Infektion.
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Anosmie
Die Bedeutung des Geruchs- und Geschmackssinns für das psychische Wohlbefinden des Patienten wird häufig unterschätzt. Man muss sich aber darüber klar sein, dass man mit der Zunge nur salzig, süß, bitter und sauer schmeckt, während der feine Geschmack, das Parfüm, Aftershave oder Pheromone des Partners durch den Gruchssinn wahrgenommen werden! Der Geruchssinn ist ein kostbarer Sinn und es sollte jede Anstrengung unternommen werden, ihn zu bewahren oder zu verbessern ([Abb. 4]).
Dies bedeutet den totalen Respekt vor dem Riechepithel, das sich von der Area cribriformis über die mediale Fläche der mittleren und oberen Nasenmuschel und die korrespondierende Septumschleimhaut ausbreitet. Die präoperative Gabe oraler Steroide hilft Verletzungen dieser Schleimhautareale zu verhindern, insbesondere wenn medial der mittleren Muschel Polypen bei der endoskopischen Untersuchung in der Ambulanz gesehen worden sind. Polypen zwischen mittlerer Muschel und Septum werden am besten zunächst belassen.
Es wird eine vollständige Ethmoidektomie durchgeführt und die mittlere Muschel vorsichtig lateralisiert, um die Riechspalte zu eröffnen ([Abb. 5]). Die so exponierten Polypen der medialen Wand der mittleren Muschel und des Septums werden bewusst nicht abgetragen, um kein potenzielles Riechepithel zu verletzen. Man muss es selbst erlebt haben, um glauben zu können, wie gut sich danach die Schleimhaut in der Riechspalte erholt – selbst große Polypen bilden sich zurück.
Falls postoperativ der Kopf der mittleren Nasenmuschel mit der lateralen Nasenwand verwächst, ist dies dann kein Problem, wenn das Ostium der Kieferhöhle im mittleren Nasengang genügend weit nach unten erweitert wurde und die lateralisierte mittlere Muschel das Fenster nicht vollständig abdeckt. Der Einblick in den Recessus frontalis gelingt dann nicht mit einer 0°-Optik, sondern nur mit einer 30- oder 45°-Optik. Der mukoziliäre Transport ist nicht gestört. Er ist dann nur weiter nach hinten gerichtet.
Ist postoperativ die mittlere Muschel mit dem Septum mit den Folgen einer Hyposmie oder Ansomie verwachsen, ist es sinnvoll, nach Rückbildung des postoperativen Ödems die Verwachsungen in einem elektiven Eingriff vorsichtig zu lösen und die mittlere Muschel zu lateralisieren.
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Stenosierung des Recessus frontalis
Die meisten Stirnhöhlenentzündungen sind Folgen vorausgegangener Eingriffe.
Der Recessus frontalis sollte nie routinemäßig in eine Siebbeinoperation einbezogen werden!
Das klinische Korrelat einer Verschattung der Stirnhöhle im CT bei einer Polyposis nasi ist in den meisten Fällen eine Schleimretention. Polypen in der Stirnhöhle selbst treten extrem selten auf. Eine einfache Polypabtragung im mittleren Nasengang verbunden mit einer partiellen vorderen Ethmoidektomie und einer postoperativen Behandlung mit topischen Steroiden genügt in der Regel, um die Stirnhöhlendrainage und Belüftung wiederherzustellen und den Patienten symptomfrei zu bekommen. Entscheidend ist, dass die Schleimhaut des Recessus frontalis nicht verletzt wird, da sonst das Risiko einer Stenoseentwicklung zu hoch ist ([Abb. 6]).
Besteht eine Erkrankung der Stirnhöhle mit Symptomen, die nicht auf eine konservative Behandlung reagieren, muss der Recessus frontalis unter bestmöglicher Schonung der Schleimhaut eröffnet werden. Bewährt hat sich folgendes Verfahren:
Zunächst wird die indizierte Schleimhaut über den Agger-nasi-Zellen mit einer Knopfsonde abgelöst. Dann werden die Zellen mit der Knopfsonde oder der gebogenen Kürette eingedrückt und die Knochenfragmente unter Schonung der zuvor abgelösten Schleimhaut entfernt. Lose Schleimhautfragment sollten am besten nicht angefasst werden. Jedes Greifen und Zerren reißt die Mukosa wie eine lockere Tapete ab und hinterlässt nackten Knochen mit der Gefahr der Narbenbildung. Überschüssige Mukosa, die nicht an die knöchernen Wände des Recessus frontalis angelegt werden kann, wird mit einem Shaver oder einer Mikroschere zurechtgeschnitten.
Ein knöchernes Septum zwischen einer supraorbitalen Zelle und dem Recessus frontalis oder einer hohen Bulla frontalis sollte ebenfalls submukös entfernt oder mit einem schneidenden Instrument abgetragen werden. Das hinterlässt einen fast intakten Schleimhautüberzug ([Abb. 7]).
Bei der Operation im Recessus frontalis ist ein 45°-Endoskop von unschätzbarem Wert. Kann der Sinus frontalis nicht wie beschrieben mit einer Sonde geortet werden, sollte man nicht mit Gewalt sondieren oder Gewebe entfernen, sonst werden Liquorlecks, Orbitaverletzungen oder Stenosen im Recessus frontalis verursacht.
Man sollte sich wegen dieser möglichen Komplikationen immer wieder fragen, ob es wirklich nötig ist, im Recessus frontalis zu operieren.
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Verkrustungen
Krusten sind meistens die Folge einer Schleimhautverletzung. Wenn die Schleimhaut in ihrer gesamten Dicke fehlt, bleibt der Schleim wegen der fehlenden Zilienfunktion liegen. Es kann bis zu 1 Jahr dauern, bis das respiratorische Epithel nachgewachsen ist und die Zilien wieder synchron funktionieren. Beschädigungen der Schleimhaut sollten deshalb minimiert und ein tiefgreifender Schleimhautdefekt in jedem Fall vermieden werden.
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Infektionen
Eine oberflächliche Infektion aufgrund von nicht abtransportiertem Schleim ist nicht zu vermeiden. Sie lässt sich meistens leicht durch Spülungen behandeln. Gelegentlich kommt es dennoch zu einer hartnäckigen Bakterienvermehrung, besonders mit Staphylokokken in der Kieferhöhle. In solchen Fällen hat sich die Behandlung mit einer lokal wirksamen antibiotikahaltigen Salbe über mindestens 3 Wochen sehr bewährt ([Abb. 8]).
Eine Infektion der Weichteile ist sehr selten. Verspürt der Patient innerhalb von 3 Tagen nach der Operation zunehmende Schmerzen im Operationsgebiet, die mit einem Lidödem verbunden sind, sollte eine intravenöse Antibiotikabehandlung eingeleitet werden. Die Symptome klingen dann in der Regel innerhalb von 1–2 Tagen ab.
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Knochenentzündung – Osteitis
Eine eher seltene, schmerzhafte Komplikation ist die lokale Ost(e)itis, die zumindest teilweise auf die Entblößung von Knochen zurückzuführen ist ([Abb. 9]). Dies entspricht der Situation einer „trockenen Höhle“ nach einer Zahnextraktion. Der Patient klagt über einen dumpfen, nagenden Schmerz dort, wo Knochen freiliegt. Der starke Schmerz kann dem Patienten Tränen in die Augen treiben.
Die Osteitis ist für den Patienten sehr quälend und für den Chirurgen beunruhigend. Die Patienten skalieren die Stärke des Schmerzes bei 9–10 von maximal 10 Punkten. Der Schmerz hält 10 Tage an, bevor er nachlässt, ganz gleich welche Maßnahme angewandt wird. Starke Analgetika sind nötig, eine lokale Behandlung bringt wenig Besserung. Patienten mit einem invertierten Papillom sind besonders gefährdet, da bei der Operation eine Schleimhautschonung nicht indiziert ist.
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Neuropathischer Schmerz
Traumatisch oder operationsbedingte Schmerzen werden durch myelinisierte A-Delta- und unmyelinisierte C-Fasern vermittelt. Eine lang andauernde Stimulation dieser Fasern kann den Botenstoff N-Methyl-D-Aspartat (NMDA) aktivieren und eine zentrale Sensibilisierung bewirken. Bei einigen Patienten modifiziert eine derartige Änderung der zentralen Verarbeitung die Schmerzschwelle, ruft eine Hyperalgesie hervor oder führt zur spontanen Entladung von Neuronen im Rahmen eines wiederkehrenden Zyklus.
Ein Trauma kann der initiale Faktor sein durch Veränderung der Fasern innerhalb des Nucleus trigeminus oder durch Veränderung seines somatosensorischen Inputs ([Abb. 10]). Dadurch verändern sich die nozizeptiven Fasern zum oder im kaudalen Nucleus des N. trigeminus.
Diesen Patienten wird nur selten durch nichtsteroidale Antiphlogistika geholfen. Sie sprechen häufig auf Amitryptilin (10 mg) zur Nacht an. Die Dosis kann nach 6 Wochen 2 wöchentlich jeweils um 10 mg erhöht werden, wenn nötig auf bis zu 100 mg. In manchen Fällen hilft auch die Gabe von Carbamazepin in steigender Dosierung oder von Gabapentin, um Nebenwirkungen wie Übelkeit und Schwindel zu minimieren.
Jedes Medikament muss mindestens 6 Wochen lang in einer Dosierung innerhalb der therapeutischen Breite ausprobiert werden, bevor man beurteilen kann, wie effektiv es ist. So lang dauert es, bis die neuronalen Verbindungen innerhalb des Nucleus trigeminus stabilisiert sind. Das als wirksam getestete Medikament sollte dann 6 Monate lang gegeben werden, bevor es abgesetzt wird. Es scheint, dass diese Zeitspanne zur Stabilisierung benötigt wird. Andernfalls ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass der Schmerz zurückkehrt.
Die Schmerzbehandlung nach einer Operation sollte primär mit neuroaktiven Pharmaka durchgeführt werden, da diese bei vielen Patienten Wirkung zeigen (Jones 2001a, West 2001).
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