Zusammenfassung
Hintergrund: Die kieferorthopädische Mesialisierung von Unterkiefermolaren bei Nichtanlagen oder Extraktionen ohne Ausgleichsextraktion im Oberkiefer erfordert eine stabile anteriore Verankerung. Diese kann entweder durch den Einsatz von Minischrauben (temporary anchorage devices , TADs) oder einer Herbst-Apparatur aufgebaut werden. Ziel war es, die klinische Wirksamkeit beider Methoden miteinander zu vergleichen. Dies geschah auf der Grundlage der Nullhypothese, dass keine signifikanten Unterschiede bei der Geschwindigkeit des Lückenschlusses (in mm/Monat) feststellbar wären. Zusätzlich sollten die Qualität des Lückenschlusses (von mesial oder distal), die Häufigkeit eines unvollständigen Lückenschlusses und einer gleichzeitig angestrebten Verbesserung der Eckzahnrelation bewertet werden.
Methode: Für diese retrospektive Untersuchung erfüllten 27 Patienten (15 männlich, 12 weiblich) mit insgesamt 36 zu schließenden Lücken die Inklusionskriterien. Alle wurden mit einer lingualen Multibracket-Apparatur behandelt. Diese wurde entweder mit einer Herbst-Apparatur (nPatient =15: 7 beidseitig, 8 einseitig; nLücken =22) oder mit TADs (nPatient =12: 2 beidseitig, 10 einseitig; nLücken =14) kombiniert. Die deskriptive Auswertung stützte sich auf die Vermessung von intraoralen Fotos und entsprechenden Gipsmodellen zur maßstabsgetreuen Umrechnung der linearen Messungen zu den Zeitpunkten: zu Beginn des Lückenschlusses (T1), nach Herausnahme der Verankerungsmechanik (T2) und am Ende der Multibracket-Behandlung (T3).
Ergebnisse: Die Nullhypothese bestätigte sich nicht. Im Mittel konnten die Lücken bei der Gruppe mit Herbst-Verankerung signifikant schneller geschlossen werden (0,51 mm/Monat) als in der TAD-Guppe (0,35 mm/Monat). Während der Lückenschluss bei allen mit der Herbst-Apparatur behandelten Fällen durch reine Mesialisierung der posterioren Zähne erreicht wurde, geschah das in der TAD-Gruppe in nur 76,9% der Fälle. Weiterhin war der Lückenschluss in 50% der TAD-Fälle unvollständig (mittlere Residuallücke 1 mm). Es zeigte sich in 57,14% der mit TADs behandelten Fälle eine Verschlechterung der Eckzahnrelation im gesamten Behandlungszeitraum hin zu einer Angle-Klasse II. Im Gegensatz dazu wurde in 90,9% der Herbst-Fälle eine Verbesserung der Eckzahnbeziehung über die Gesamtbehandlung beobachtet.
Schlussfolgerung: Bei Patienten, für die ein effizienter Lückenschluss durch Molarenmesialisierung im Unterkiefer in Kombination mit der Korrektur einer Distalokklusion indiziert ist, ergeben sich Vorteile beim Einsatz der Herbst-Apparatur im Vergleich zur Verankerung mit TADs.
Abstract
Background: Orthodontic protraction of mandibular molars without maxillary counterbalance extraction in cases of aplasia or extraction requires stable anchorage. Reinforcement may be achieved by using either temporary anchorage devices (TAD) or a fixed, functional appliance. The objective was to compare the clinical effectiveness of both methods by testing the null-hypothesis of no significant difference in velocity of space closure (in mm/month) between them. In addition, we set out to describe the quality of posterior space management and treatment-related factors, such as loss of anchorage (assessed in terms of proportions of gap closure by posterior protraction or anterior retraction), frequencies of incomplete space closure, and potential improvement in the sagittal canine relationship.
Methods: 27 subjects (15 male/12 female) witha total of 36 sites treated with a lingual multi-bracket appliance were available for retrospective evaluation of the effects of anchorage reinforcement achieved with either a Herbst appliance (nsubjects =15; 7 both-sided/8 single-sided Herbst appliances; nsites =22) or TADs (nsubjects =12; 2 both-sided; 10 single-sided; nsites =14). Descriptive analysis was based on measurements using intra-oral photographs which were individually scaled to corresponding plaster casts and taken on insertion of anchorage mechanics (T1), following removal of anchorage mechanics (T2), and at the end of multi-bracket treatment (T3).
Results: The null-hypothesis was rejected: The rate of mean molar protraction was significantly faster in the Herbst-reinforced group (0.51 mm/month) than in the TAD group (0.35). While complete space closure by sheer protraction of posterior teeth was achieved in all Herbst-treated cases, space closure in the TAD group was achieved in 76.9% of subjects by sheer protraction of molars, and it was incomplete in 50% of cases (mean gap residues: 1 mm). Whilst there was a deterioration in the canine relationship towards Angle-Class II malocclusion in 57.14% of space closure sites in TAD-treated subjects (indicating a loss of anchorage), an improvement in canine occlusion was observed in 90.9% of Herbst-treated cases.
Conclusion: Subjects requiring rapid space closure by molar protraction in combination with a correction of distal occlusion may benefit from using Herbst appliances for anterior segment anchorage reinforcement rather than TAD anchorage.
Schlüsselwörter Molarenmesialisierung - Verankerungsaufbau - TAD - Herbst-Apparatur - Lingualtechnik
Key words molar mesialisation - anchorage - TAD - Herbst appliance - lingual orthodontics