Gesundheitswesen 2015; 77 - A20
DOI: 10.1055/s-0035-1562976

Welche Faktoren bestimmen eine gute Versorgung von Patienten mit akuter Nierenschädigung? Zur Integration einer handlungsrelevanten Zusatzinformation in stationäre Abläufe – ein Mixed Methods-Ansatz

A Spura 1, BP Robra 1, M Haase 2, A Haase-Fielitz 2
  • 1Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg, Institut für Sozialmedizin und Gesundheitsökonomie, Magdeburg
  • 2Universitätsklinik für Nieren- und Hochdruckkrankheiten, Magdeburg

Hintergrund: Akute Nierenschädigung (acute kidney injury [AKI]) gehört zu den häufigsten, kostenintensivsten und prognostisch ungünstigsten Komplikationen stationär behandelter Patienten. Mehr als 95% dieser Patienten werden in nicht-nephrologischen Fachabteilungen behandelt. Mit der Intention einer erhöhten Sichtbarkeit der Diagnose ‚Akute Nierenschädigung‘ wurde 2012 am Universitätsklinikum Magdeburg eine Textzeile ‚Akute Nierenschädigung‘ auf der Laborbefundmitteilung eingeführt. Ein Vorher-Nachher-Vergleich zeigte Dauer und Ausmaß der akuten Nierenschädigungen und die Häufigkeit nephrologischer Konsilanforderungen unverändert sowie eine fortbestehende 35 – 40%ige Minderkodierung der Diagnose. Die bloße Zusatzinformation hat die Unterversorgungssituation nicht beeinflusst. Fragestellung: Welche Faktoren fördern oder hemmen im nicht-nephrologischen Stationsalltag eine Reaktion auf eine handlungsrelevante Zusatzinformation? Wie priorisieren Stationsärzte ihre Entscheidung, ein nephrologisches Konsil anzufordern? Methodik: Das mehrstufige Mixed Methods-Vorgehen geht von einer vertieften retrospektiven Versorgungsdatenanalyse für 4-monatige Zeiträume (September bis Dezember) vor und nach Einführung der Textzeile und Charakterisierung typischer Versorgungsverläufe aus. Die quantitative Datenbasis umfasst (1) Patienten-Identifikationsnummer, Häufigkeit, Dauer und Schweregrad der akuten Nierenschädigung, Datum/Uhrzeit Diagnosestellung, Fachdisziplin der Station (Datenbank Medizinisches Rechenzentrum), (2) demographische Daten, Komorbidität, klinischer Verlauf, Medikation (Datenbank Aktenanalyse), (3) Datum und Fragestellung für die Anforderung eines nephrologischen Konsils, konsiliarisch empfohlene Maßnahmen (Konsildatenbank Klinik für Nieren- und Hochdruckkrankheiten), (4) Daten zur Kodierung der akuten Nierenschädigung (Datenbank Abteilung Controlling und Betriebswirtschaft). Die mittels quantitativer Datenanalyse gewonnenen – anonymisierten – Versorgungstrajekte werden mit Ergebnissen aus qualitativen leitfadengestützten Experteninterviews mit Nephrologen zu typischen AKI-Fällen und Konsilsituationen trianguliert, in kasuistische Fallvignetten überführt sowie in Fokusgruppen mit nicht-nephrologischen Ärzten hinsichtlich Versorgungsrelevanz validiert. Ergebnisse: Angestrebt sind kasuistische Fallvignetten typischer AKI-Fälle in den verschiedenen Klinken zur Klärung von Entscheidungsorientierungen und -konflikten von Stationsärzten bei Anforderung nephrologischer Konsile. Diskussion: Methodologischer Forschungsrahmen ist die stationäre Versorgungsforschung mit einem Mix quantitativer und qualitativer Methoden. Der Ansatz kann über die stationär-ambulante Schnittstelle weitergeführt werden, um die Nachbetreuung zu verbessern. Die kasuistischen Fallvignetten können darüber hinaus in der medizinischen Aus-, Weiter- und Fortbildung eingesetzt werden.

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