Gesundheitswesen 2015; 77 - A52
DOI: 10.1055/s-0035-1563008

Langfristige Kosten-Effektivität der Bewegungsförderung im Setting Schule

S Liersch 1, T von Lengerke 2, U Walter 1, C Krauth 1
  • 1Institut für Epidemiologie, Sozialmedizin und Gesundheitssystemforschung, Medizinische Hochschule Hannover, Hannover
  • 2Forschungs- und Lehreinheit Medizinische Psychologie, Medizinische Hochschule Hannover, Hannover

Einleitung: Körperliche Inaktivität im Kindes- und Jugendalter hat vielseitige gesundheitliche und ökonomische Konsequenzen, die sich langfristig aus einem erhöhten Morbiditätsrisiko und Mortalitätsrisiko im Erwachsenenalter ergeben. Aufgrund der steigenden Prävalenz körperlicher Inaktivität bedarf es einer wissenschaftlichen Auseinandersetzung mit der Wirtschaftlichkeit präventiver Maßnahmen. Die vorliegende Studie bewertet die langfristige Kosten-Effektivität täglichen Schulsports im Vergleich zu curricular verankertem Schulsport. Methoden: Die Untersuchung analysiert die langfristige Kosten-Effektivität der Präventionsmaßnahme anhand einer Markov-Modellierung. Die Kosten wurden aus GKV-Perspektive zum Bezugsjahr 2012 bewertet. Das entwickelte Modell berücksichtigt die präventiven Wirkungen auf Morbidität und Mortalität der Risikofaktoren Adipositas und Hypertonie sowie der Krankheiten Schlaganfall, koronare Herzkrankheit, Typ-2-Diabetes, Depression, Brust- und Darmkrebs. Risiken, Krankheitskosten sowie Nutzwerte wurden anhand systematischer Literaturrecherchen eruiert. Die Modellierung simuliert eine geschlossene Kohorte gesunder 16-Jähriger (n = 10.000 Personen je Handlungsalternative) über die Lebenszeit (max. 100. Lebensjahr). Kosten und Nutzen wurden mit 3% diskontiert. Unsicherheiten wurden in deterministischen und probabilistischen Sensitivitätsanalysen bewertet. In Szenarioanalysen wird der Einfluss der Interventionskosten untersucht. Ergebnisse: Für die Umsetzung täglichen Schulsports inklusive benötigter Investitionen in Sporthallenkapazitäten sind 335 € pro Personenjahr zu berücksichtigen. Die Ergebnisse der Modellierung für die Gesamtkohorte weisen eine inkrementelle Kosten-Effektivitäts-Relation (ICUR) von 45.451 €/QALY (95%-KI 33.579 – 69.237) aus. Insofern ausschließlich laufende Interventionskosten berücksichtigt werden, ist eine Reduktion der ICUR auf 22.921 €/QALY (95%-KI 17.021 – 33.563) zu verzeichnen. Bezogen auf diese Kosten ist die Intervention bei einem angenommenen Schwellenwert von 30.000 €/QALY mit einer Wahrscheinlichkeit von 91,6% kosteneffektiv. Die durch das Merkmal Geschlecht modifizierten Effekte der Maßnahme spiegeln sich in der ökonomischen Bewertung wider. Diskussion: Unter den für die Basisfallanalyse getroffenen Annahmen führt die Maßnahme zu keiner angemessenen Kosten-Effektivitäts-Relation für den Entscheidungsträger. Die Szenarioanalyse zeigt, dass ein wesentlicher Ansatzpunkt die Investitionskosten darstellen. Da insbesondere die Ausdehnung von Ganztagsschulen und die damit verbundene Reduktion der körperlich-sportlichen Aktivität in der Freizeit zu einem zusätzlichen Sportbedarf im Schulalltag führen, sind alternative Konzepte zum Hallensport notwendig.