Gesundheitswesen 2015; 77 - A400
DOI: 10.1055/s-0035-1563356

Familiärer Stress – ein bedeutsamer Mediator des Zusammenhangs von Bildung und Gesundheit bei Frauen?

S Sperlich 1, S Geyer 1
  • 1Medizinische Hochschule Hannover, Medizinische Soziologie, Hannover

Hintergrund: Während die Gesundheitsrelevanz beruflicher Stressoren durch den Einsatz von etablierten Stressmodellen bereits gut erforscht ist, entwickelt sich ein vergleichbarer Kenntnisstand für die unbezahlte Haus und Familienarbeit erst zögerlich. Dieses Forschungsdefizit aufgreifend wird im Folgenden untersucht, ob Stresserfahrungen in der Haus- und Familienarbeit zum tieferen Verständnis gesundheitlicher Ungleichheit von Frauen beitragen können. Methodik: Die Stressbelastung von Frauen wurde anhand des adaptierten Fragebogens zur Messung von 'Gratifikationskrisen in der Haus- und Familienarbeit' (Sperlich et al. 2009) erhoben. Dieser enthält Fragen zu vorwiegend quantitativen Arbeitsanforderungen ('Verausgabung') und zu potenziellen Belohnungen der Haus- und Familienarbeit in den vier Bereichen 'ideeller Lohn/Sinnhaftigkeit der Arbeit', 'gesellschaftliche Wertschätzung', 'Anerkennung vom Partner' sowie 'Zuneigung vom Kind'. Die subjektive Gesundheit wurde mittels der Beschwerdeliste von v. Zerssen (1976) erfasst. Im Rahmen von OLS-basierten Regressionsanalysen wurde der direkte Effekt von schulischer und beruflicher Bildung auf den subjektiven Gesundheitszustand sowie der indirekte Effekt vermittelt über Stresserfahrungen in der Haus- und Familienarbeit untersucht. Die Analysen basieren auf einer repräsentativen Bevölkerungsstichprobe von Müttern mit minderjährigen Kindern aus dem gesamten Bundesgebiet (n = 3129). Ergebnisse: Neben einem direkten Effekt von Bildung auf die Gesundheit konnten auch signifikante indirekte Effekte vermittelt über die beiden Subskalen 'Verausgabung' und 'Belohnung' gefunden werden. Jedoch wiesen beide Subskalen in unterschiedliche Richtungen: Während die Verausgabung durch die Haus- und Familienarbeit mit der Bildung anstieg, wiesen bildungsbenachteiligte Mütter stärkere Belastungen aufgrund von geringer Belohnung der Haus- und Familienarbeit auf. Vor allem Belastungen durch eine geringe 'gesellschaftliche Wertschätzung' trugen zu den ermittelten größeren gesundheitlichen Beschwerden von bildungsbenachteiligten Müttern bei. Nach Kontrolle der Belohnungsdimensionen 'ideeller Lohn/Sinnhaftigkeit der Arbeit', 'gesellschaftliche Wertschätzung', und 'Zuneigung vom Kind' konnte kein signifikanter direkter Bildungseffekt mehr auf die subjektive Gesundheit nachgewiesen werden. Diskussion: Die vorliegenden Befunde legen nahe, dass die Wahrnehmung geringerer Belohnung der Haus- und Familienarbeit zur gesundheitlichen Ungleichheit von Frauen in Erziehungsverantwortung beiträgt.

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