Suchttherapie 2015; 16(04): 163-172
DOI: 10.1055/s-0035-1564214
Schwerpunktthema
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Abhängigkeitsphänomene, Aggressivität und Empathie bei exzessiven Nutzern von Computerspielen vom First-Person-Shooter-Typ

Addictive Features, Aggression and Empathy in Excessive Users of First Person Shooter Video Games
B. T. te Wildt
1   Klinik für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie, LWL-Universitätsklinikum Bochum der Ruhr-Universität Bochum
,
K. Hassan
2   Klinikum Herford, Klinik für Kardiologie
,
T. Steinbüchel
1   Klinik für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie, LWL-Universitätsklinikum Bochum der Ruhr-Universität Bochum
,
J. Dieris-Hirche
3   Dr. Becker Klinik Möhnesee
,
S. V. Rojas
4   Klinik für Herz-, Thorax-, Transplantations- und Gefäßchirurgie, Medizinische Hochschule Hannover
,
T. Hillemacher
5   Zentrum für Seelische Gesundheit, Medizinische Hochschule Hannover
,
S. Löber
6   Lehrstuhl für Klinische Psychologie und Psychotherapie, Universität Bamberg
,
T. F. Münte
7   Klinik für Neurologie, Universitätsklinikum Schleswig-Holstein, Lübeck
,
B. Mohammadi
8   International Neuroscience Institute, Hannover
,
G. Szycik
9   Institut für Verhaltenstherapie und Verhaltensmedizin (AVVM), Zentrum für Seelische Gesundheit, Medizinische Hochschule Hannover
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Publikationsverlauf

Publikationsdatum:
16. November 2015 (online)

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Zusammenfassung

Die Frage inwieweit das Spielen von First-Person-Shootern (FPS) eine Wirkung auf reale aggressive Verhaltensweisen hat, ist noch nicht abschließend geklärt und weiter heftig umstritten. Inwiefern hierbei quantitative Aspekte einer exzessiven bzw. abhängigen FPS-Nutzung von Bedeutung sind, wurde bislang kaum untersucht. Die vorliegende Studie beschäftigt sich mit Abhängigkeitsaspekten einer Gruppe von Exzessivspielern und ihrem Zusammenhang mit Faktoren von Aggressivität und Empathie. 25 junge Männer mit einem FPS-Konsum von mindestens 4 h/d für die vorangegangen 2 Jahre wurden psychometrisch untersucht und mit einer im Hinblick auf Geschlecht, Alter und Schulbildung gleichsinnig verteilten Gruppe verglichen. Die durchschnittlich 23,5 Jahre alten Exzessivspieler spielen hauptsächlich Online-Spiele und weisen in der Internetsuchtskala (ISS) signifikant höhere Werte als die Vergleichsgruppe auf. Bei den Exzessivspielern korrelieren die ISS-Werte mit der Globalskala des Kurzfragebogens für Aggressionsfaktoren (K-FAF). Im Hinblick auf verschiedene erhobene Faktoren von Aggressivität und Empathiefähigkeit zeigt sich ein uneinheitliches Bild, wobei sich für die Exzessivspieler signifikant niedrigere Werte in der FAF-Subskala für Aggressionshemmung und der Eysenck Empathieskala ergeben, die mit einander signifikant positiv korrelieren. Die 8 Exzessivspieler (32%), welche die Kriterien für Internetabhängigkeit erfüllen, zeigen signifikant stärkere Ausprägungen hinsichtlich spontaner Aggressivität, Feindseligkeit und antisozialer Merkmale.

Die Ergebnisse deuten darauf hin, dass online genutzte FPS ein Suchtpotenzial aufweisen. Nicht nur qualitative sondern auch quantitative Faktoren einer suchtartigen Nutzung gewalthaltiger Computerspiele im Hinblick auf Aggressivität fördernde Aspekte dürften in Forschung und Prävention stärker zu berücksichtigen sein.

Abstract

The question, if and how playing First-Person-Shooter games (FPS) has an effect on real aggressive behaviour, has not been answered conclusively and is still controversially discussed. In this context, there is a lack of knowledge, in how far quantitative aspects of excessive or addicted use of FPS are of concern. The presented study deals with addicted features of a group of excessive users and their relation to factors of aggressiveness and empathy. 25 young men using FPS at least 4 h/d during the preceding 2 years were examined psychometrically and compared with a group of male controls with an equal distribution of sex, age and school education. The excessive users with a mean age of 23,5 years mainly play online-games and exhibit significantly higher values in the Internet Addiction Scale (ISS) than the control group. Within the group of excessive players the ISS-values correlate significantly with the global scale for factors of aggression (FAF). Concerning aspects of aggressiveness and empathy the results are complex and inconsistent. Yet, for the excessive users the results of the FAF-subscale for aggressive inhibition and for the Eysenck Empathy Scale are significantly lower and correlate with each other positively. The 8 excessive players (32%), who fulfilled the criteria for Internet addiction, showed significantly higher scores for spontaneous aggression, hostility and antisocial tendencies.

The results imply that online-FPS contain an addictive potential. Not only qualitative but also quantitative aspects of an addictive use of violent video games and their effects on aggressiveness should be taken into account in terms of further research and prevention.