Zentralbl Chir 2016; 141 - A75
DOI: 10.1055/s-0036-1586340

Outcome nach Infektion operativ versorgter Tibiakopffrakturen – ein systematischer Review und erste retrospektive Analyse

R Henkelmann 1, JT Krause 1, KH Frosch 2, H Lill 3, C Schoepp 4, D Seybold 5, C Josten 1, P Hepp 1
  • 1Universitätsklinikum Leipzig, Klinik für Orthopädie, Unfallchirurgie und Plastische Chirurgie, Leipzig, Deutschland
  • 2Asklepios Klinik St. Georg, Klinik für Unfall- und Wiederherstellungschirurgie, Hamburg, Deutschland
  • 3Diakoniekrankenhaus Friederikenstift gGmbH, Klinik für Unfall- und Wiederherstellungschirurgie, Hannover, Deutschland
  • 4BG Klinikum Duisburg, Orthopädie und Unfallchirurgie, Duisburg, Deutschland
  • 5Bergmansheil Berufsgenossenschaftliches Universitätsklinikum, Chirurgische Universitätsklinik und Poliklinik, Bochum, Deutschland

Fragestellung: Tibiakopffrakturen sind häufig. Der Schweregrad der Verletzung wird durch die Frakturmorphologie und das begleitende Weichteiltrauma bestimmt. Postoperative Infektionen sind eine gefürchtete Komplikation mit häufig unzufrieden stellenden Outcome für den Patienten und einem möglichen Verlust der Gelenkfunktion. Ziel der Studie ist es mithilfe einer systematischen Literaturrecherche und eigenen Daten einen Berechnungsalgorithmus zu erarbeiten.

Methodik: Es wurde eine systematische Literatursuche in den Datenbanken Medline, Cochrane, Embase und GoogleScholar durchgeführt. Studien mit operativ versorgten Tibiakopffrakturen wurden nach vordefinierten Ein- und Ausschlusskriterien eingeschlossen. Zudem wurde eine retrospektive Datenanalyse von Patienten mit operativ versorgten Tibiakopffrakturen am Universitätsklinikum Leipzig im Zeitraum zwischen 01/2005 bis 01/2015 durchgeführt.

Ergebnisse: Entsprechend der Ein- und Ausschlusskriterien wurden 32 Studien eingeschlossen. In der Gesamtpopulation (n = 2063) zeigte sich eine Infektionsrate von 12,3%, (range: 2,6 – 45,0%). Diese teilten sich in 129 tiefe Infektionen (DI) und 74 oberflächige Infektionen (SI) auf. Es wurde in 29 Studien eine Revision aufgrund einer Infektion beschrieben, detaillierte mikrobiologische Ergebnisse wurden in sechs Studien berichtet. 72 (55,9%) von 129 Fällen hatten ein nicht zufriedenstellendes Outcome nach DI mit weitreichenden Einschränkungen der betroffenen Extremität.

Im Zeitraum 01/2005 bis 01/2015 wurden im eigenen Patientengut insgesamt 354 Patienten mit einer Tibiakopffraktur operativ behandelt ((51,7% Männer, Alter 51,0 (18 – 96), Diabetes mellitus 11,9%, Immunsuppression 1,7%, Raucher 32% und Substanzmissbrauch 6,5% (vor allem Alkohol: 85%). In 4,5% der Fälle lag eine offene Fraktur vor, 35,9% C1-C3 Frakturen nach AO).

Bei 34 Patienten (79,4% Männer, Alter 48,1 (25 – 73) trat eine postoperative Infektion auf (9,6%). In 91% (n = 31) handelte es sich um eine Frühinfektion. Elf der Infektionen waren oberflächig und konnten mit lokaler Behandlung oder oberflächlicher Wundrevision zur Ausheilung gebracht werden. In 23 Fällen kam es zu einer tiefen Infektion. Im Durchschnitt waren 7,3 (Range: 1 – 28) Revisionseingriffe notwendig. Diabetes mellitus: 21,2%, Immunsuppression: 11,8%, Nikotin: 45,5%, Substanzmissbrauch: 21,2% (vor allem Alkohol 83,3%). In 23,5% (n = 8) handelte es sich um eine offene Fraktur, bezogen auf die Frakturmorphologie waren 70,6% C1-C3 Frakturen nach AO.

Zusammenfassung: Postoperative Infektionen nach operativ versorgter Tibiakopffraktur sind häufig, machen mehrere Revisionen notwendig und gehen mit einem schlechten Outcome einher. Vor allem Geschlecht, Frakturmorphologie, begleitendes Weichteiltrauma und Nebenerkrankungen scheinen eine zentrale Rolle zu spielen. Diese Studie liefert wesentliche Daten als Grundlage für einheitliche Behandlungsalgorithmen.