Gesundheitswesen 2017; 79(04): 299-374
DOI: 10.1055/s-0037-1601928
3. Mai 2017
Infektionsschutz – Freie Themen 1
Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Norovirus-Gastroenteritis in Altenpflegeheimen und Kindertagesstätten: Erkenntnisse aus der Statistik eines Gesundheitsamts

F Hofmann
1   FFAS – Freiburger Forschungsstelle Arbeits- und Sozialmedizin, Freiburg
,
M Michaelis
1   FFAS – Freiburger Forschungsstelle Arbeits- und Sozialmedizin, Freiburg
,
U Stößel
1   FFAS – Freiburger Forschungsstelle Arbeits- und Sozialmedizin, Freiburg
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Publication History

Publication Date:
02 May 2017 (online)

 

Zielsetzung::

Seit die IfSG-Meldepflicht nur noch für laborbestätigte Norovirus-(NV) Gastroenteritiden besteht, ist zu vermuten, dass die seit Jahren diskutierte statistische Untererfassung von Erkrankungsfällen noch deutlich angestiegen ist. Zudem ist zu vermuten, dass der Umfang labordiagnostischer Bestätigungen im Rahmen von Ausbrüchen in Gemeinschaftseinrichtungen sehr individuell gehandhabt wird. Aus arbeitsmedizinischer Sicht sind zudem keine belastbaren Daten über das Ausmaß erkrankten Personals bekannt. Um im Rahmen eines Methodenmix-Projekts einen Eindruck zum Ausbruchs- und Meldegeschehen auf Landkreisebene zu erhalten, wurde die interne Meldestatistik eines Gesundheitsamts hinsichtlich betroffener Altenpflegeheime und Kindertagesstätten/-krippen (Kitas) als exemplarische Fallstudie anonymisiert zusammengestellt.

Methode::

Die retrospektive Datenanalyse zu NV-Ausbrüchen erfolgte für 14 Altenpflegeheime und 65 Kitas zwischen 2011 und 2015 in einem Landkreis mit rund 120.000 Einwohnern und 19 Gemeinden. Erhoben wurden u.a. Anzahl/Umfang der Ausbrüche, Anzahl der betroffenen Mitarbeiter und der labordiagnostischen Nachweise.

Ergebnis::

13 von 14 Altenpflegeheimen meldeten im Fünfjahreszeitraum insgesamt 58 Ausbrüche mit insgesamt 692 erkrankten Bewohnern. Im Median waren 12% aller Bewohner einer Einrichtung betroffen (Spanne 2 – 71%). 34 von 58 Ausbrüchen (59%) wurden gänzlich ohne labordiagnostischen Nachweis dokumentiert. Bei den übrigen 24 Ausbrüchen betrug der Anteil von labordiagnostisch bestätigten Fällen im Median 16% (Spanne 3 – 50%). Bei 41 von 58 Ausbruchsmeldungen (70%) in 6 Heimen wurde kein erkranktes Personal gemeldet. Bei den übrigen 17 Ausbrüchen betrug der Anteil erkrankten Personals an der Ausbruchsgröße im Median 20% (Spanne 3 – 43%). Aus Kitas wurden 214 Ausbrüche, mit einem jährlichen Median von 5 – 6 erkrankten Kindern gemeldet (Spanne 14 – 44). Erkranktes Personal war dem Gesundheitsamt nur in 8 – 18% der Ausbrüche bekannt.

Schlussfolgerung::

Die aktuelle NV-Meldedokumentation eines Gesundheitsamts für Altenpflegeheime, Kitas und Krankenhäuser gibt quantifizierte Hinweise auf eine deutliche Untererfassung von NV-Fällen bei betroffenen Kindern und alten Menschen, aber auch bei erkranktem Personal. Zu diskutieren ist die Rolle von Hausärzten im Meldeprozess. Natürlich dürfen die Ergebnisse aufgrund des Einzelfallcharakters nicht verallgemeinert werden.