Z Geburtshilfe Neonatol 2017; 221(S 01): E1-E113
DOI: 10.1055/s-0037-1607807
Poster
Mütterliche Erkrankungen (Präeklampsie, Diabetes mellitus etc)
Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Urogynäkologie trifft Perinatalmedizin: Vorstellung und erste Erfahrungen einer prospektiv randomisierten Studie zur unmittelbar postpartalen Prävention eines Descensus genitalis

K Baeßler
1   St. Joseph Krankenhaus, Berlin, Germany
2   Beckenbodenzentrum Universitätsmedizin Charité, Berlin, Germany
,
B Junginger
2   Beckenbodenzentrum Universitätsmedizin Charité, Berlin, Germany
,
J Stupin
2   Beckenbodenzentrum Universitätsmedizin Charité, Berlin, Germany
,
S Bölke
2   Beckenbodenzentrum Universitätsmedizin Charité, Berlin, Germany
,
B Arabin
3   Univ. Klinik für Geburtshilfe u. Frauenheilkunde, Marburg, Germany
› Author Affiliations
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Publication History

Publication Date:
27 October 2017 (online)

 

Fragestellung:

Berliner Auswertungen zur Validierung eines postpartalen Beckenboden-Fragebogens zeigten, dass 1 Jahr postpartal 29% der Frauen Senkungssymptome haben und 22% eine Belastungsinkontinenz. Es ist auch bekannt, dass 35% der Frauen nach vaginaler Geburt ein Stadium-2-Deszensus aufweisen, nach Sectio sind es nur 8%! Beckenbodentraining konnte zwar die Inzidenz einer Inkontinenz reduzieren, nicht jedoch die eines Deszensus. Im Rahmen eines BMWi-geförderten ZIM-Projektes soll deshalb ein neues Pessar, eine sog. Blende entwickelt werden, welche direkt postpartal das Beckenboden-Bindegewebe stützen soll, ohne den Wochenfluss zu behindern. In einer prospektiv randomisierten Studie wird geprüft, ob bei primiparen Frauen die Einlage der Blende Beckenbodendysfunktionen reduzieren kann im Vergleich zur Standardbehandlung.

Methodik:

Die neue Blende wurde auf Basis perinealer Ultraschallmessungen post partum entwickelt. Für die randomisierte Studie werden Frauen 1 – 3 Tage nach der ersten vaginalen Geburt rekrutiert. Nach Zuordnung (PC-generierte Blockrandomisierung, Stratefizierung nach Levatordefekten und instrumenteller Entbindung) erfolgt in der Interventionsgruppe die Blendeneinlage für 5 Wochen und in der Kontrollgruppe Standardversorgung (keine Maßnahmen). Wünscht die Frau keine Randomisierung, kann sie in einer Präferenzgruppe teilnehmen. Ausgeschlossen werden Frauen mit Erkrankungen, die eine regelrechte Compliance beeinträchtigen, Frauen nach Beckenbodenoperationen, mit neurologischen Erkrankungen, kompromittiertem Immunsystem oder starken Schmerzen. Abbruchkriterien sind Infektionsraten > 10% und Schmerzen/Irritationen > 10%.

Um eine klinisch signifikante Halbierung von Senkungssymptomen von 29% ein Jahr postpartal auf 14,5% darstellen zu können, mit 80% Power und α= 0,05 sind 126 Frauen in jeder Gruppe notwendig. Mit Einrechnung einer 20%-Abbruchrate auch wegen Folgeschwangerschaften sollen 302 Frauen rekrutiert werden. Eine Interimanalyse ist 6 Wochen postpartal nach Rekrutierung von 80 Frauen geplant, um die objektive Reduktion einer Senkung Stadium 2 zu überprüfen.

Ergebnisvariablen 6 Wochen und 12 Monate postpartal: quantitative Ausmessung des Deszensus (POPQ), Beckenboden-Fragebogen, Blasenhals- und Levatorposition im perinealen Ultraschall.

Die Studie hat ein positives Votum der Charité-Ethikkommission und ist beim DRKS registriert.

Ergebnis:

Im perinealen Ultraschall betrug die Symphysen-Levator-Distanz 67 – 93 mm und die Hiatusweiten 40 – 69 mm, womit die Blendengröße bestimmt wird.

Informationen über die Studie sollten schon präpartal erfolgen, um die Frauen an der Studienteilnahme zu interessieren, denn die Rekrutierung ist zurzeit langsam.

Schlussfolgerung:

Dies ist die erste randomisierte Studie zur sekundären Prävention von Beckenbodenproblemen. Sollte die Anwendung von vaginalen Blenden die Inzidenz von Senkungen reduzieren, stünde eine kostengünstige, einfache und komplikationsarme Intervention zur Verfügung.