Phlebologie 2012; 41(02): 94-99
DOI: 10.1055/s-0037-1621807
Medizingeschichte
Schattauer GmbH

Schillers Krankheiten und seine Bestattungen

Neue Erkentnisse aus der Sicht eines Chirurgen – Teil 2Schiller´s diseases and his funeralsNew findings-from the view of a surgeon. Part 2
W. Hach
1   Venenzentrum Frankfurt am Main
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Publikationsverlauf

eingereicht:06. September 2011

angenommen:07. September 2011

Publikationsdatum:
30. Dezember 2017 (online)

Zusammenfassung

Das Cassengewölbe in Weimar war ein Sammel-grab für honorige Bürger der Stadt, das anno 1826 wieder einmal entsorgt werden musste. Darin befanden sich auch die sterblichen Überreste von Schiller, der dort 1805 begraben worden war. Der Weimarer Bürgermeister Carl Leberecht Schwabe sah die Gelegenheit gekommen, Schillers Skelett zu bergen und auf eine würdige Weise zu beerdigen. In aufregenden nächtlichen Aktionen wurden schließlich der Schädel und einige Tage später auch die Reste des Skeletts aufgefun-den. So konnte schließlich die erneute Beisetzung in der Weimarer Fürstengruft erfolgen.

Anno 1883 äußerten zuerst der Anatom Hermann Welcker in Halle und dann auch 1911 der Anatom August von Froriep in Tübingen ihre Zweifel an der Echtheit des Schillerschen Schädels aufgrund vergleichender Untersuchungen der Schädelma-ße mit den Totenmasken. Von Froriep setzte eine erneute Ausgrabung des Cassengewölbes durch und identifizierte einen anderen Schädel als den richtigen. Jetzt gab es also zwei Schädel und dann auch zwei Gräber von Schiller. Deshalb wurde der russische Archäologe Gerassimov 1963 mit der Rekonstruktion des Kopfes beauftragt. Ihm gelang eine schöne Nachbildung, die jetzt im Schillerhaus in Weimar zu besichtigen ist. Aber Zweifel blieben trotzdem bestehen. Die Stiftung Klassik in Weimar veranlasste 2006 deshalb Exhumierungen und eine nochmalige Kontrolle mit modernsten Untersuchungsmethoden. Das Ergebnis war, dass keiner der beiden Schädel unse-rem großen Dichter gehörte. Schillers Schädel ist nicht mehr da.

Summary

The Cassengewölbe in Weimar was a collective mausoleum used for the burial of honourable citizens of the city and which was due for a periodical clearing out in 1826. At the time, it also contained the mortal remains of Schiller, who had been buried there in 1805. The Mayor of Weimar at the time, Carl Leberecht Schwabe, saw an opportunity to exhume Schiller's skeleton and give it a dignified burial. In a flurry of dramatic nocturnal activity the skull was finally found, along with the rest of the skeleton several days later. And so it was finally possible to lay his remains to rest in Weimar’s Ducal Vault. In 1883 the anatomist Hermann Welcker in Halle, followed by the anatomist August von Froriep in Tübingen in 1911, cast doubts on the authenticity of the Schiller skull based on studies comparing the skull dimensions with those of the death masks. Von Froriep succeeded in having the Cassengewölbe re-excavated, whereupon he identified a different skull as the right one. Now Schiller had two skulls and two graves. The Russian archaeologist Gerassimov was therefore commissioned in 1963 to reconstruct the head. He produced a lovely replica now on display in the Schillerhaus in Weimar. Nagging doubts remained, however. In 2006 the Klassik in Weimar Foundation therefore once again commissioned exhumations and reanalysis using the most modern methods available. The result: neither of the two skulls was that of the great poet. Schiller's skull is still missing.

 
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