
Zusammenfassung
Die nach ICD-10 theoretisch klare Abgrenzung einzelner Störungskategorien affektiver Erkrankungen entspricht in neurobiologischer Hinsicht nicht der Realität. Eine dimensionale Beschreibung der mit der Störung einhergehenden Dysregulationen des Verhaltens, der Kognition und der Emotionen, oder aber eine Beschreibung der Beeinträchtigungen auf biologischer Ebene kann zusätzlich wichtige Information liefern. Aus biologischer Sicht sind psychische Störungen charakterisiert durch Beeinträchtigungen auf der Ebene der Neurotransmission, der Konnektivität oder der Proteinsynthese.
Heute wird klar eine multifaktorielle Ätiopathogenese affektiver Erkrankungen angenommen, bei der sowohl genetische, wie auch biologische und psychosoziale Faktoren interagieren und je nach individueller Disposition zur Ausprägung von Krankheitssymptomen führen. Die relativ uniforme Prävalenzrate in unterschiedlichen Kulturkreisen, das familiär gehäufte Auftreten und das relativ niedrige Erstmanifestationsalter bipolarer Störungen im Vergleich zur unipolaren Depression weisen auf eine starke genetische Disposition und relativ geringere Modulierbarkeit durch äußere Stressoren hin. Bipolare Störungen gehen wie andere affektive Erkrankungen mit strukturellen Veränderungen und funktionellen Störungen des Gehirns einher. Bei bipolaren affektiven Störungen werden Auffälligkeiten in der gesamten Kaskade der neuralen Signaltransmission – von Neurotransmittern und Neuromodulatoren über rezeptorgekoppelte intrazelluläre Signaltransduktion bis hin zur Genexpression – beobachtet.
Lang anhaltende unbehandelte affektive Störungen mit strukturellen Veränderungen und funktionellen Störungen des Gehirns einhergehen. Das Ziel einer Behandlung besteht darin, diese Veränderungen rückgängig zu machen. Dieser Prozess kann langwierig sein und einige Zeit dauern, weshalb eine Langzeitbehandlung unumgänglich ist.
Summary
It has become clear that the strict categorization of subcategories of affective disorders is not adequately reflecting the underlying neurobiology of these disorders. From biological view psychological disturbances are characterized by impairments on the level of neurotransmission, connectivity or protein synthesis.
Today, a multifactorial pathogenesis of affective disorders is generally accepted, with genetic, biological and psychosocial factors to interacting in the development of individual disease symptoms. Like with other affective disorders, structural and functional brain changes have been reported bipolar disorders. In addition, changes in the entire cascade of neural transmission – from neurotransmitters and neuromodulators over receptor-coupled intracellular signal transduction to gene expression have been described. Untreated affective disorders are associated with both structural and functional changes in the brain. The goal of an interdisciplinary treatment – always involving both psychotherapy and pharmacotherapy – consists of resetting those changes. This process can be lengthy; therefore a long-term treatment strategy is indicated.
Schlüsselwörter
Bipolare Störung - Neuroplatizität - Neurogenese - genetische Disposition - funktionelle bildgebende Verfahren
Keywords
Bipolar disorder - neuroplaticity - neurogenesis - genetic disposition - functional neuroimaging