Zusammenfassung
Um das Verhalten von Kindern und Jugendlichen möglichst realitätsnah zu erfassen,
sind Informationen aus verschiedenen Kontexten (z. B. Elternhaus oder Schule) und
Perspektiven (Selbst- versus Fremdeinschätzung) notwendig. Die vorliegende Studie
zeigt auf, wie mit einem Puppeninterview die Selbstwahrnehmung bereits bei fünfjährigen
Kindern erfasst werden kann. An der Studie nahmen 185 fünfjährige Kinder teil, darunter
33 Kinder in der kinderpsychiatrischen Abklärung. Mit dem Berkeley Puppeninterview
(BPI) wurden internalisierende und externalisierende Symptome (Depressivität, Trennungsangst
und Überängstlichkeit bzw. Trotzverhalten, Impulsivität und Aggressivität) erfragt.
Die Interviews waren auch in einer Stichprobe mit psychisch auffälligen Kindern gut
durchführbar. Die Übereinstimmungen zwischen den Informanten waren in der erwarteten
Größenordnung. Es zeigte sich aber auch, dass Kinder, welche laut Fremdperspektive
(Eltern und Lehrpersonen) vorwiegend aggressiv und impulsgesteuert eingeschätzt wurden,
sich selbst ebenfalls signifikant depressiver und ängstlicher einschätzten als unauffällige
Kinder. Eine entwicklungspsychologisch angepasste Erfassung der Selbsteinschätzung
bei jüngeren Kindern ist also in der kinderpsychiatrischen Diagnostik unerlässlich
und auf reliable und valide Weise möglich.
Summary
Clinical assessments require data from multiple informants, because informants have
different perspectives (self versus others) and appraise the subject in different
contexts (e. g. home versus school). The current study demonstrates how a puppet interview
can be used to assess 5-year-old children’s self-perception of symptoms.
185 children participated in the study, 33 of them were assessed at intake into the
child psychiatry clinic. The Berkeley Puppet Interview was used to assess internalizing
and externalizing symptoms (depression, separation anxiety, overanxiousness/oppositionality,
impulsivity, aggression to peers). Our study demonstrated the feasibility of the puppet
interview also in clinical populations. The level of agreement between informants
was in the expected range. However, we found that children, who were rated from the
other-perspective (parents and teachers) as having externalizing symptoms only, reported
themselves also increased levels of depression and overanxiousness. The results show
that in psychiatric research and clinical assessment in young children, the Berkeley
puppet interview can be used to complement in a meaningful way parent and teacher
reports.
Schlüsselwörter Kinderpsychiatrie - Entwicklungspsychologie - Puppeninterview - Selbsteinschätzung
Keywords Child psychiatry - developmental psychology - puppet interview - self assessment