Methods Inf Med 1969; 08(03): 159-165
DOI: 10.1055/s-0038-1635971
Original article
Schattauer GmbH

Biometrie der Abstammung (Zum biostatistischen Vaterschaftsbeweis)[*)]

Probability of Paternity
K. Hummel
1   Aus dem Hygiene-Institut der Universität Freiburg/Br. (Direktor: Prol. Dr. R. Haas)
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Publikationsdatum:
10. Februar 2018 (online)

Die zur Berechnung der Vaterschaftswahrschsinlichkeit aus serologischen Befunden herangezogene Formel von Essen-Möller läßt sich auf das Bates sehe Theorem zurückführen. Die A-priori-Wahrscheinlichkeit wird für die Beurteilung des Einzelfalles als 0,5 gesetzt. Die aus den errechneten Wahrscheinlichkeitswerten (W-Werten) hervorgehende »Zutreffenswahrscheinlichkeit« (bzw. »Irrtumswahrscheinlichkeit«) bezieht sich dann auf ein gleichgroßes Kollektiv Väter und Nichtväter. Benutzt man eine der Wirklichkeit entsprechende A-priori-Wahrscheinlidikeit, z. B. aus der Väter-Nichtväter-Relation eines gerichtlichen Aktenmaterials, dann erhält man realistische Zutreffensbzw. Irrtumswahrscheinlichkeiten. Betrachtet man den »kritischen Wert« der EssEN-MöLLER-Formel Y/X als Likelihood-Verhältnis, dann lassen sich lg Y/X-Verteilungen für Väter und Nichtväter empirisch oder rechnerisch aufstellen, in die sich der lg Y/X-Wert eines zu beurteilenden Mannes einordnet und sich, je nach Standort, als mehr oder weniger »typisch« für Väter bzw. Nichtväter erweist. — Von dem zu erwartenden neuen Unehelichengesetz der Bundesrepublik Deutschland wird es abhängen, welche Bedeutung den biostatistischen Befunden für die Vaterschaftsfeststellung zukommt.

The Essen-Möller formula, which follows from Bayes’ theorem, can be used on the basis of serologiqal evidence to estimate the probability of paternity. The a priori probability of 0.5 taken for each individual case assigns equal sizes to the two groups »fathers« and »non-fathers«. By using an a priori probability that is closely associated with reality (for example the relation of fathers to nonfathers as found in legal experience), a realistic value of the error-probability can be obtained. If the »critical value« Y/X of the Essen-Möller formula is regarded as a likelihood-ratio, then the log Y/X distribution for »fathers« and »non-fathers« can be derived empirically or mathematically. Comparison of the log Y/X value of a single case with the derived distribution then identifies the man as a more or less »typical« father or non-father.

The practical application of biostatistic data to the determination of fathership depends for the Federal Republic of Germany (BRD) on whether or not the new illegitimacy law will be passed.

* J Nach einem Vortrag im Biometrischen Kolloquium des Instituts für Medizinische Statistik und Dokumentation der Universität Freiburg i. Br. am 9. 1. 1969.


 
  • Literaturverzeichnis

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