Gesundheitswesen 2018; 80(04): 377
DOI: 10.1055/s-0038-1639190
VORTRÄGE
Infektionsschutz
Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

FSME und Borreliose – Übertragungsrisiko durch Zecken in Niedersachsen

M Monazahian
1   Niedersächsisches Landesgesundheitsamt (NLGA) Abt. 2 Mikrobiologie, Infektionsschutz, Krankenhaushygiene u. Infektionsepidemiologie, Hannover, Germany
,
S Olbrich
1   Niedersächsisches Landesgesundheitsamt (NLGA) Abt. 2 Mikrobiologie, Infektionsschutz, Krankenhaushygiene u. Infektionsepidemiologie, Hannover, Germany
,
A Baillot
1   Niedersächsisches Landesgesundheitsamt (NLGA) Abt. 2 Mikrobiologie, Infektionsschutz, Krankenhaushygiene u. Infektionsepidemiologie, Hannover, Germany
,
S Rettenbacher-Riefler
1   Niedersächsisches Landesgesundheitsamt (NLGA) Abt. 2 Mikrobiologie, Infektionsschutz, Krankenhaushygiene u. Infektionsepidemiologie, Hannover, Germany
,
B Marchwald
1   Niedersächsisches Landesgesundheitsamt (NLGA) Abt. 2 Mikrobiologie, Infektionsschutz, Krankenhaushygiene u. Infektionsepidemiologie, Hannover, Germany
,
K Beyrer
1   Niedersächsisches Landesgesundheitsamt (NLGA) Abt. 2 Mikrobiologie, Infektionsschutz, Krankenhaushygiene u. Infektionsepidemiologie, Hannover, Germany
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Publication History

Publication Date:
11 April 2018 (online)

 

Durch Zecken übertragene Krankheiten spielen auch in Norddeutschland eine zunehmende Rolle. Die Frühsommer-Meningoenzephalitis (FSME) und die Borreliose sind die häufigsten durch Zecken (Ixodes spp.) übertragenen Erkrankungen in Deutschland. Während die Erreger der Borreliose bundesweit verbreitet sind, treten FSME-Erkrankungen vornehmlich in Süddeutschland (FSME-Risikogebiete) auf. Doch auch in Niedersachsen wurden in den Jahren 2004 bis 2017 fünfzehn FSME-Erkrankungen gemäß Infektionsschutzgesetz (IfSG) gemeldet, bei denen kein Aufenthalt in einem sog. FSME-Risikogebiet ermittelt werden konnte (autochthone Fälle). In einer zweijährlichen prospektiven Untersuchung zur Prävalenz von FSME-Antikörpern bei ca. 900 Forstbediensteten der Niedersächsischen Landesforste ergaben sich ab 2010 auch Hinweise auf mögliche autochthone Infektionen in dieser Berufsgruppe*. Diese Befunde decken sich auch mit Ergebnissen aus dem Zeckenmonitoring, welches das Niedersächsische Landesgesundheitsamt (NLGA) seit einigen Jahren durchführt. Zwischen 2008 und 2017 wurden mehr als 46.000 Ixodes spp. Zecken von über 500 Sammelstellen in ganz Niedersachsen beprobt. Schwerpunkte der Sammelaktionen waren Regionen aus denen autochthone FSME-Fälle berichtet wurden (die Landkreise (LK) Cuxhaven 2004/2007, Goslar 2011, Nienburg 2011/2016/2017, Schaumburg 2015, Celle 2016/2017, Emsland 2016 × 2 sowie die Region Hannover 2008/2010/2011/2012). Mit Borrelien (Erkrankung: Lyme-Borreliose) waren bis zu 30%, mit Anaplasma spp. (Humane Granulozytäre Anaplasmose) bzw. Neoehrlichia (Neoehrlichose) bis zu 8% und mit Rikettsia spp. (Zeckenbissfieber) bis zu 13% der Zecken infiziert; ähnliche Prozentsätze werden bundesweit beobachtet. Das FSME-Virus konnte nur vereinzelt in Zecken aus zwei Regionen Niedersachsens (LK Cuxhaven und Nienburg) nachgewiesen werden.

Das Zeckenmonitoring zeigte ferner, dass die Auwaldzecke Dermacentor reticulatus, die hauptsächlich in Süd- und Ostdeutschland vorkommt und auch das FSME-Virus übertragen kann, ebenfalls in Niedersachsen zu finden ist.

Die in Niedersachsen übermittelten Meldefälle zu autochthonen FSME-Infektionen, sowie die FSME-Seroprävalenzen bei den Forstbediensteten und schließlich die sporadischen FSME-Virus Nachweise in verschiedenen Zeckenpopulationen lassen darauf schließen, dass auch das FSME-Virus neben den Borrelien und anderen humanpathogenen Erregern in Zecken in Niedersachsen vorkommt. Eine mögliche Infektion mit dem FSME-Virus in Niedersachsen ist demnach zwar immer noch sehr unwahrscheinlich, aber nicht mehr völlig auszuschließen. Ein regional gewichtetes FSME-Risiko lässt sich aus den vorliegenden Informationen zurzeit nicht ableiten. Da bislang in Niedersachsen kein Landkreis/kreisfreie Stadt die vom Robert Koch-Institut aufgestellten Kriterien eines FSME-Risikogebiets erfüllt, gibt es auch keine allgemeine FSME-Impfempfehlung.

(*Projektberichte: www.nlga.niedersachsen.de > Infektionsschutz > Krankheitserreger/Krankheiten > FSME)