Gesundheitswesen 2018; 80(04): 412
DOI: 10.1055/s-0038-1639282
POSTERPRÄSENTATION
Umweltmedizin
Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Mikrobiologische Risikobewertung (QMRA) – eine Strategie zur Bewertung der mikrobiologischen Gewässerqualität

M Leifels
1   Ruhr-Universität Bochum Abteilung für Hygiene, Sozial- und Umweltmedizin, Bochum, Germany
,
L Jurzik
1   Ruhr-Universität Bochum Abteilung für Hygiene, Sozial- und Umweltmedizin, Bochum, Germany
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Publikationsverlauf

Publikationsdatum:
11. April 2018 (online)

 

Einleitung:

Der Eintrag von humanpathogenen Viren in Oberflächengewässer erfolgt neben den Abschwemmungen von Feldern und Wiesen vor allem durch die Einleitung geklärten Abwassers oder Mischwasserentlastungen. Infektiologisch relevant sind nach jetzigem Wissenstand Rota- und Noroviren. Es handelt sich hierbei um unbehüllte Viren, die bei geeigneten Wassertemperaturen von < 10 °C mehrere Wochen bis Monate im Wasser infektiös bleiben können. Mit der Nutzung des viral belasteten Wassers zur Freizeitgestaltung (z.B. Schwimmen) stellt sich die Frage des Erkrankungsrisikos. Mithilfe der quantitativen mikrobiologischen Risikobewertung (QMRA) lässt sich dieses Risiko berechnen.

Methode:

Die Konzentration humanpathogener Viren wurde von 2012 – 2013 in einem Oberflächengewässer südlich von Essen bestimmt. Dazu wurden in einem zweiwöchigen Rhythmus Proben genommen und die Viren mittels molekularbiologischer Methoden quantifiziert.

Das Risiko errechnet sich mithilfe von Dosis-Wirkungskurven durch eine Monte-Carlo Simulation, bei der pro Pathogen jeweils 10.000 Einzelwerte errechnet werden., um das Erkrankungsrisiko durch z.B. Baden zu simulieren. Einen entscheidenden Einfluss auf das Ergebnis der QMRA hat die beim Baden aufgenommene Wassermenge in Abhängigkeit von Geschlecht und Alter. Daher wurde die Rahmen der Monte-Carlo Simulation zu Grund liegende Badedauer (0,25 – 2 Stunden) und die aufgenommene Wassermenge in definierten Grenzen (Kinder und Jugendliche: 0 – 154 ml/45 min; erwachsene Personen: 0 – 53 ml/45 min) variiert.

Ergebnis:

Die berechneten Ergebnisse der QMRA zeigen, dass die Erkrankungswahrscheinlichkeit durch das Baden im Oberflächengewässer bei den unter 18-jährigen größer als bei den über 18-jährigen ist. Statistisch erkranken 2,6% der unter 18-jähringen durch Badeaktivität im Gewässer an einer Rotaviren- und 2,4% an einer Noroviren-Gastroenteritis. Dahingegen ist die Wahrscheinlichkeit einer Erkrankung bei den unter 18-jährigen mit 0,9% und 1,5% deutlich geringer.

Diskussion:

Zur Bewertung der errechneten Risiken kann eine Forschungsarbeit von Wiedenmann et al. herangezogen werden (Wiedenmann et al., 2006). Dort wird ein akzeptiertes Risiko für eine Erkrankung durch baden in Oberflächengewässern von 3 – 5% errechnet. Dieses akzeptierte Risiko ist zudem die Grundlage für die Leit- und Zielwerte der EU Badegewässerrichtlinie. Die U.S. Umweltbehörde EPA geht hingegen von einem akzeptierten Risiko von 3,6% aus. Bei der Berechnung der Risiken mittels QMRA gibt es jedoch auch Limitierungen, die die Genauigkeit der Bewertung reduzieren:

  1. Die Dosis- Wirkungsbeziehungen werden fast ausschließlich bei jungen, gesunden Männern und Frauen gewonnen. Unberücksichtigt bleiben jedoch Kinder, ältere oder kranke Menschen, die per se ein erhöhtes Infektionsrisiko haben.

  2. Für Noroviren gibt es keine Möglichkeit die Anzahl der infektiösen Viren zu bestimmen, so dass die Umrechnung der molekularbiologischen Ergebnisse vermutlich nur eine Anlehnung an die Realität ist.