Aktuelle Ernährungsmedizin 2018; 43(03): 226-227
DOI: 10.1055/s-0038-1647186
Postersitzung II
Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Stellenwert der Ernährungsberatung durch DiätassistentInnen in der Therapie von Anorexia und Bulimie nervosa

E Deisel
1   Hochschule Neubrandenburg – University of Applied Sciences, Diätetik, Neubrandenburg, Germany
,
D Buchholz
2   Staatliche Schule für Diätassistenten der Johannes Gutenberg Universität Mainz, Mainz, Germany
,
L Valentini
3   Hochschule Neubrandenburg, Diätetik, Neubrandenburg, Germany
,
S Ramminger
4   Hochschule Neubrandenburg, Neubrandenburg, Germany
,
C Klotter
5   Hochschule Fulda, Fulda, Germany
› Author Affiliations
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Publication History

Publication Date:
04 June 2018 (online)

 

Hintergrund:

Anorexia und Bulimia nervosa gehören zu den häufigsten psychosomatischen Erkrankungen in der Adoleszenz. Beide Störungsbilder sind durch psychische, soziale sowie körperliche Defizite geprägt, wodurch eine interdisziplinäre Therapie am erfolgversprechendsten ist. In den S3-Leitlinien zur Diagnostik und Therapie von Essstörungen wird der Ernährungsberatung wenig Bedeutung zugeschrieben. Die Arbeit verfolgt das Ziel, den Stellenwert der Ernährungsberatung durch DiätassistentInnen in der Therapie von Anorexia und Bulimia nervosa zu untersuchen und welche Rolle sie im multidisziplinärem Team einnehmen.

Methoden:

Es wurden 16 Kliniken oder Wohngruppen kontaktiert. Mit 7 Diätassistentinnen (20 – 65J., 6 Vollzeit, 9,6 ± 6,9J. Berufserfahrung) wurde ein leitfadengestütztes Interview durchführt. Insgesamt lagen 177 min Interviewmaterial vor, ca. 25 min pro Diätassistentin. Die Interviewten wurden zu Ihrer Auffassung von Ernährungsberatung bei Essstörungen sowie zu den Anforderungen, Inhalten und Methoden befragt. Die Interviews wurden anhand der Inhaltsanalyse nach Mayring analysiert.

Resultate:

Alle 7 Diätassistentinnen übernehmen vielfältige Ernährungsinterventionen, z.B. Einzel-, Gruppenberatung, Lehrküche. Es besteht ein enges Verhältnis zu den PatientenInnen, durch intensive Mahlzeitenbetreuung und Begegnung auf Augenhöhe. Die Diätassistentinnen beobachten das Essverhalten, sprechen auffälliges Verhalten an, probieren die Angst vor Lebensmitteln zu nehmen, vermitteln die Einschätzung von normalen Portionsgrößen und besprechen das Bewegungsverhalten. Diese vertraute Beziehung wird als Vorteil gegenüber Psychotherapeuten gesehen, zu denen eine hierarchische Beziehung bestehen würde. Betroffene suchen bei Ängsten häufiger Diätassistentinnen auf und nehmen Ernährungsberatungen gern in Anspruch (unabhängig ob verpflichtend oder freiwillig) und wünschen sich teilweise sogar höhere Terminfrequenzen. Über 50% der Befragten gab an, dass kein anderer Therapeut die Ernährungstherapie leisten kann, da ernährungsmedizinische Kenntnisse fehlen. Die 7 Diätassistentinnen sind Mitglieder der multidisziplinären Teamsitzungen und werden in patientenbezogene Entscheidungen involviert.

Konklusion:

Die Arbeit liefert Indizien, dass Diätassistentinnen, durch vielfältige Tätigkeitsfelder und intensive Betreuung, ein wichtiger Bestandteil der Therapie von Essstörungen sind. Folglich werden Diskrepanzen zwischen den S3-Leitlinien und praktizierter Ernährungsberatung deutlich.