Zusammenfassung
Thrombosen der Koronararterien bilden sich bevorzugt in geometrisch komplizierten Gefäßabschnitten. Hier entstehen Sekundärströmungen mit Geschwindigkeitskomponenten senkrecht gegen die Wand, oder sogar Staupunktströmungen, in denen Stromlinien senkrecht gegen die Wand gerichtet sind. Strömungsexperimente an Glasmodellen solcher Gefäßabschnitte ergaben, daß Blutpartikel (Thrombozyten, Erythrozyten) insbesondere durch Staupunktströmungen gegen die Wand transportiert und mit ihr in Berührung gebracht werden. Bei langsamen Staupunktströmungen bilden die Partikel im Staugebiet wandständige Mikro-thromben, sofern ihre Adhäsivität groß genug ist, um der Schubkraft der entlang der Wand abfließenden Strömung zu widerstehen. Die von schnellen Staupunktströmungen erzeugten hohen Wandschubkräfte wirken der Ablagerung entgegen. Wegen der geometrischen Übereinstimmung der Glasmodelle mit bevorzugt von Thrombosen befallenen Abschnitten der Koronararterien und wegen der Übereinstimmung der Ablagerungsor-te innerhalb der Lichtung von Blutgefäß und dessen Modell war zu vermuten, daß dieser Zusammenhang auch für die Thrombogenese in vivo gilt.
Zur Überprüfung dieser Hypothesen wurden die strömungsmechanischen Bedingungen für die Entstehung einer Plättchenmikrothrombose durch eine rotationssymmetrische Staupunktströmung in vitro simuliert. Als Staufläche diente eine Glaswand, als Fluid strömte plättchenreiches Plasma von Patienten, bei denen das Thromboserisiko und die Wirkung von Hämostatika festgestellt werden sollte. Während der Strömung wurde das Wachstum der auf der Glaswand entstehenden Thrombozyten- »Mikro-thromben« fortlaufend registriert.
Diese Anordnung reduziert die intravitalen Verhältnisse auf ein Minimalsystem bestehend aus drei Komponenten, welche bei der Entstehung der wandständigen Thrombose in vivo unumgänglich beteiligt sind: Blut, Strömung, Wand. Sie bildet also als Minimalsystem einen pathophysiolo-gischen Vorgang im Modell nach. Bei Patienten mit klinischen Anzeichen erhöhter Gerinnungsneigung. (z.B. Herzinfarkt, 3 Tage nach der Messung) entstanden auch in vitro »Mi-krothrombosen«. Anhand der Ergebnisse wird diskutiert, ob sich diese Staupunktanordnung, die den patho-physiologischen Vorgang der Thrombogenese offensichtlich im Modell nachzubilden gestattet, auch dazu eignet, die individuelle Adhäsions- und Aggregationsneigung der Thrombozyten zu messen.