Zusammenfassung
Viskosität oder Zähigkeit einer Flüssigkeit ist definiert als das Verhältnis der zwischen den fließenden Schichten herrschenden Scherspannung zu der verformenden Scherung. Unter sonst gleichbleibenden Bedingungen ist die Scherung in Wandnähe eines Rohres proportional der Strö-mungsgeschwindigkeit der darin strömenden Flüssigkeit. Blut ist eine sogenannte nichtnewtonische Flüssigkeit, da die (»scheinbare«) Viskosität von der Scherung abhängt. Bei hoher Scherung ist die Blutviskosität wegen der normalerweise sehr beachtlichen Verformbarkeit der Erythrozyten niedrig – und kommt fast jener des Plasma nahe. Bei niedriger Scherung, das heißt also bei sehr langsamer Strömung, wird die Viskosität des Blutes wegen der Tendenz der Erythrozyten zu aggregieren und sogenannte Rouleaux (= Geldrollen) zu bilden, hoch. Alle Erkrankungen, die auf irgendeine Weise die Zusammensetzung der Plasmaeiweiße beeinflussen, verändern auch die Aggregationsneigung der Erythrozyten, die übrigens parallel mit der Blutsenkungsgeschwindigkeit geht. Die wichtigsten Änderungen der Blutviskosität bei Diabetes betreffen die beiden genannten Faktoren. Mangel an Insulin führt über eine direkte Beeinflussung der Zellmembran zu einer Abnahme der Erythro-zytenverformbarkeit – die Erythrozyten werden rigider. Sekundäre Plasmaveränderungen und Komplikationen steigern die Aggregationsneigung der Erythrozyten.
Die Komplexität der vielfachen Stoffwechselfaktoren, die bei Diabetes eine Rolle spielen, bedingen die manchmal etwas widersprüchlichen Befunde hinsichtlich Viskositätsänderung des Blutes. Die direkte Rolle, die das Insulin für die Beeinflussung, vielleicht sogar Steuerung der Verformbarkeit der Zellmembran spielt, mißt der Frage der Viskositätsänderung des Blutes bei Diabetes besondere Bedeutung zu.