Pneumologie 2019; 73(S 01)
DOI: 10.1055/s-0039-1678175
Posterbegehung (P14) – Sektion Infektiologie und Tuberkulose
Pneumologische Infektiologie 1: Tuberkulose und atypische Mykobakteriosen
Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Die Tuberkulosesituation im Berliner Justizvollzug 2011 – 2016

S Pape
1   Studentin an der Berlin School of Public Health der Charité Universitätsmedizin Berlin
,
F Groß
2   Justizvollzugskrankenhaus Berlin
,
T Ulrichs
3   Akkon Hochschule für Humanwissenschaften
› Author Affiliations
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Publication Date:
19 February 2019 (online)

 

Hintergrund Deutschland ist ein Niedriginzidenzland für Tuberkulose (TB). Jedoch beobachtet man in den letzten Jahren einen deutlichen Anstieg der Inzidenz, und hier besonders der resistenten Fälle, der mit der demografischen Bevölkerungsentwicklung und Migration in Verbindung gebracht wird. Inhaftierte stellen generell eine Risikogruppe für TB dar. Gegenüber der Allgemeinbevölkerung haben sie eine signifikant höhere Inzidenz und Prävalenz. Gleiches gilt für resistente Erregerstämme. Kurze Haftzeiten bergen Risiken für Therapieabbrüche und bedingen ein erhöhtes TB-Übertragungsrisiko auf die Allgemeinbevölkerung.

Zielsetzung Ziel dieser Studie war die Untersuchung der TB-Epidemiologie für 2011 – 16 im Berliner Justizvollzug als Fortschreibung der Ergebnisse der Jahre 1996 – 98 und 2007 – 10. Erstmalig wurden zusätzlich auch die soziodemografischen Daten aller Personen analysiert, die 2011 – 16 bei Haftantritt ein TB-Screening mittels Thorax-Röntgenuntersuchung (TRU) erhielten.

Methodik Die Studie basiert auf einer retrospektiven Fallserie der 2011 – 16 im Justizvollzugskrankenhaus Berlin dokumentierten, aktiven Lungen-TB.

Ergebnisse Im Betrachtungszeitraum wurde bei 142 Insassen (Männer: 97,2%, Altersmedian: 36,5 Jahre) eine behandlungsbedürftige Lungen-TB diagnostiziert; etwa 22-mal häufiger als in der Berliner Allgemeinbevölkerung. Zu beobachten war ein hoher Grad an Ko-Infektionen mit Hepatitis-Viren (A: 62,0%, B: 27,7%, C: 24,1%) und HIV (8,0%; ggü. 2007 – 10: +4,7 Prozentpunkte) sowie ein ausgeprägtes gesundheitsgefährdendes Risikoverhalten (Tabakkonsum 92,0%, Drogen 27,3%, Alkohol 68,1%).

Der Anteil multiresistenter Erregerstämme stieg auf 16,7% (ggü. 2007 – 10: +5,1 Prozentpunkte). Erstmalig fand man 9 Fälle mit MDR-Primärinfektion. Aufgrund kurzer Haftzeiten sank der Therapieerfolg bei Entlassung auf 14,6% (2007 – 10: 31,5%).

Schlussfolgerungen Mit Wanderungsbewegungen der Zivilbevölkerung gehen Zunahmen der Fallfindungsraten und MDR-TB im Berliner Justizvollzug einher. Dies beruht hauptsächlich auf wachsenden Anteilen ausländischer Gefängnisinsassen. Diese Situation, zusammen mit Haftentlassungen unter laufender Therapie, verdeutlicht die große Relevanz enger Kooperationen zwischen Justizvollzug und öffentlichem Gesundheitsdienst.