Kinder- und Jugendmedizin 2019; 19(02): 124
DOI: 10.1055/s-0039-1684060
Gentherapie
Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Ethische und ökonomische Aspekte von Gentherapien

W Schnorpfeil
1   HS Value & Dossier GmbH, Eschborn
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Publication Date:
17 April 2019 (online)

 

Die Bioethik nimmt einen hohen Stellenwert innerhalb der biomedizinischen Debatte ein. Es geht nicht mehr um das „Ob“, sondern um das „Wie“ neuer gentherapeutischer Behandlungen. Die erste Gentherapie, Glybera®, die im Jahr 2012 in Europa zugelassen wurde, kostete ca. 1 Mio. Euro. Für neue Gentherapien in seltenen Erkrankungen wird bereits von ca. 4 Mio. Dollar pro Therapie ausgegangen. Damit werden die Behandlungskosten genetischer Erkrankungen tangibel und es stellt sich die Frage der Zahlungsbereitschaft der Gesellschaft für die Behandlung mit Gentherapien. Deutschland ist eines der wenigen Länder Europas, das prinzipiell alle neuen Arzneimittel, einschließlich Gentherapeutika, erstattet.

Gen- und Zelltherapien werden in den meisten Fällen seitens der Zulassungsbehörden als Arzneimittel betrachtet und fallen in Deutschland automatisch unter die Erstattungsregularien des AMNOG. Gentherapien werden, wie andere Arzneimittel auch, im Rahmen der frühen Nutzenbewertung hinsichtlich des Ausmaßes und der Wahrscheinlichkeit des Zusatznutzens untersucht und müssen sich – sofern es keine Orphan Drugs sind – dem Vergleich mit einer zweckmäßigen Vergleichstherapie stellen. Dies gilt unterdessen sowohl im ambulanten wie auch im stationären Bereich. Neben dem Zusatznutzen von Gentherapien stellen sich für die Krankenversicherungen und die pharmazeutischen Unternehmen damit Fragen der Finanzierung und Finanzierungsmodalitäten. Aktuell werden vor allem verpflichtende Patientenregister und Pay-for-Performance-Modelle zur regelmäßigen Bewertung und Nachverhandlung diskutiert.

Die Finanzierung von Gentherapien im Erstattungssystem der GKV zieht eine Reihe praktischer Probleme nach sich. Zum einen gibt es Unterschiede in der Preisbildung und Erstattung von Arzneimitteln zwischen dem ambulanten und stationären Sektor, die die Abrechnung von neuen Finanzierungsmodellen für Gentherapien nicht unmittelbar vorsehen.

Für die Krankenkassen wiederum können sich Finanzierungsprobleme für Gentherapien aus der Systematik des Morbi-RSA ergeben, weil Einmaltherapien die Gefahr negativer Deckungsbeiträge mit sich bringen. Neue Finanzierungsmodelle für Gentherapien können daher nur funktionieren, wenn zugleich bestehende Widersprüchlichkeiten im Erstattungssystem und im Morbi-RSA der gesetzlichen Krankenversicherung gelöst werden.