Kinder- und Jugendmedizin 2019; 19(02): 124-125
DOI: 10.1055/s-0039-1684061
Sichelzellkrankheit – neue Therapien
Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Neue Konzepte zur HbF-Induktion

L Kager
1   Medizinische Universität Wien, St.-Anna-Kinderspital, Hämato-Onkologie, Wien, Österreich
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Publication Date:
17 April 2019 (online)

 

Obwohl die Sichelzellerkrankung (SCE) 1949 als erste molekulare Erkrankung erkannt wurde, sind erst kürzlich Therapiestrategien entwickelt worden, welche den molekularen Defekt der Hämoglobinsynthese bei SCE überwinden können. Klinische Beobachtungen zeigten, dass die Prognose bei SCE besser ist, wenn die Patienten eine hereditäre Persistenz von fetalem Hämoglobin (HPFH) haben. Deshalb ist ein Ansatz zur „molekularen Therapie“ eine Erhöhung von HbF (α2γ2). Beim sogenannten „Hämoglobin-Switch“ wird postpartal HbF (α2γ2) physiologisch durch HbA (α2β2) und bei SCE durch HbS ersetzt. Wichtige Repressoren der HbF-Produktion sind die Transkriptionsfaktoren BCL11A und ZBTB7A (LRF). Diese interagieren u.a. mit epigenetischen Korepressor-Komplexen wie NuRD.

In Entwicklung und Erprobung stehende Strategien zur Umkehrung des „Hämoglobin Switch” sind Gentherapien und pharmakologische Therapien. Gentherapeutisch werden hämatopoetische Stammzellen der Patienten ex vivo modifiziert und nach Konditionierung reinfundiert. Konzepte sind zum Beispiel Genom-Editierung des intronischen BCL11A erythroiden Enhancers, um die BCL11A-Expression selektiv in erythroiden Zellen zu unterdrücken, den Abbau von BCL11A- mRNA durch eine selektiv erythroide shRNA lentivirale Transduktion zu induzieren oder durch Genom-Editierung HPFH-Mutationen im proximalen HGB-Promotor einzubringen.

Hydroxycarbamid ist derzeit das einzige zugelassene Arzneimittel bei Patienten mit SCE, welches zu einer Erhöhung von HbF führt (Mechanismus unklar) und einen belegten therapeutischen Nutzen hat. Die pharmakologische Reaktivierung der γ-Globin-Expression fokussiert sich weitgehend auf die Blockade von enzymatischen Chromatin-Regulatoren wie NuRD/HDAC, DNMT und KDM 1A. Einige dieser „Epidrugs“ (z.B. Panobinostat und Decitabine) werden ebenso wie Gentherapien derzeit in Phase-1-Studien bei Patienten mit SCE geprüft.

Ob die auf HbF-Induktion fokussierenden Strategien als Therapiemaßnahme bei SCE einer hämatopoetischen Stamzelltransplantation überlegen oder zumindest gleichwertig sind, bleibt zu belegen.