Kinder- und Jugendmedizin 2019; 19(02): 125
DOI: 10.1055/s-0039-1684062
Sichelzellkrankheit – neue Therapien
Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Selektin-Inhibitoren

L Oevermann
1   Charité-Universitätsmedizin Berlin, Klinik für Pädiatrie m.S. Onkologie/Hämatologie/SZT, Berlin
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Publication Date:
17 April 2019 (online)

 

Die aktuelle First-line-Therapie der Sichelzellkrankheit zur Reduktion der Schmerzkrisen und Stabilisierung des Hämoglobins durch HbF-Induktion ist Hydroxycarbamid. Das Vorhandensein von Non-Respondern und ein breites Nebenwirkungsspektrum machen jedoch die Entwicklung alternativer und additiver therapeutischer Ansätze unerlässlich. P-Selektin-Antagonisten stellen hier vielversprechende Kandidaten dar. P-Selektin ist ein Zelladhäsionsmolekül. Seine Liganden werden vor allem von Thrombozyten exprimiert. Im Fall von Endothelaktivierung (Inflammation, Artherosklerose, Gerinnungsaktivierung) vermittelt P-Selektin das Anhaften von Zellen an die Endotheloberfläche. Im Gegensatz zu gesunden Erythrozyten, exprimieren Sichelzellen P-Selektin-Liganden auf ihrer Oberfläche, was die Entstehung von Vasookklusionen fördert. Crizanlizumab (SEG101) ist ein P-Selektin- Antagonist, der die Zell-Endothel-Interaktion durch spezifische Bindung an das P-Selektin unterbindet, damit das Auftreten von Vasookklusionen verhindern und den Blutfluss verbessern soll. Die SUSTAIN Studie zeigte bereits vielversprechende Ergebnisse. Evaluiert wurde das jährliche Auftreten von Sichelzellkrisen unter Hochdosis-Crizanlizumab versus Placebo in 198 Patienten mit Sichelzellkrankheit aus 60 verschiedenen Zentren (SUSTAIN ClinicalTrials.gov number, NCT01895361). Die Patienten konnten begleitend ihre Hydroxycarbamid-Therapie fortführen. Die mediane Rate an Schmerzkrisen konnte unter Hochdosis-Crizanlizumab von jährlich 2,98 auf 1,63 um 45% gesenkt werden. Sowohl die Zeit bis zur ersten als auch die Zeit von der ersten zur zweiten Krise wurden signifikant verlängert und unkomplizierte Krisen traten unter Crizanlizumab zu 62,9% weniger auf. Die aufgetretenen Nebenwirkungen (in 10% der Behandelten) waren Arthralgien, Diarrhö, Juckreiz, Übelkeit und Erbrechen und Brustschmerzen. Aktuell startet eine internationale Phase II Studie für pädiatrische Sichelzellpatienten zur Dosisfindung und Evaluation des Potentials zur Reduktion der Schmerzkrisen durch Crizanlizumab unter Partizipation dreier deutscher Zentren.