Kinder- und Jugendmedizin 2019; 19(02): 127
DOI: 10.1055/s-0039-1684070
Fallvorstellungen der Gewinner der Reisestipendien
Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Genotyp und Phänotyp Extension bei kongenitaler dyserythropoetischer Anämie Typ 1

T Matiqi
1   Medizinische Universität Wien, St.-Anna-Kinderspital, Hämato-Onkologie, Wien, Österreich
› Author Affiliations
Further Information

Publication History

Publication Date:
17 April 2019 (online)

 

Eine der wichtigsten Voraussetzungen für die medizinische Betreuung von Patienten mit seltenen Erkrankungen ist die genaue Beurteilung und Beschreibung von Genotypen und Phänotypen. Die kongenitale dyserythropoetische Anämie Typ 1 (CDA1) ist eine autosomal-rezessiv vererbte (hauptsächlich durch Mutationen im CDAN1 Gen, seltener im C15orf41 Gen), sehr seltene Erkrankung des Knochenmarks, mit bisher < 200 beschriebenen Patienten. Hämatologisches Merkmal ist eine mäßige bis schwere chronisch hämolytische makrozytäre Anämie.

In der Knochenmarksmorphologie findet man neben einer erythroiden Hyperplasie und Dyserythropoese mit doppelkernigen Erythroblasten typischerweise Chromatinbrücken zwischen den Kernen der Erythroblasten. Weitere klinische Merkmale der ineffektiven Erythropoese und Hämolyse sind Ikterus, extramedulläre Hämatopoese (Splenomegalie, Schädel) und Hämochromatose aufgrund einer erhöhten Eisenaufnahme oder wegen regelmäßiger Transfusionen. Darüber hinaus wurde berichtet, dass CDA1 mit angeborenen Skelettanomalien wie Syndaktylie, Fehlen von Fingern, Keilbrustdeformität, abgeflachten Wirbelkörpern, hypoplastischen Rippen sowie mit angeborener Ptosis, neonataler pulmonaler Hypertonie, Ventrikel- (VSD) und Vorhofseptumdefekten (ASD) und sensorineuralem Hörverlust assoziiert sein kann.

Wir stellten bei 2 männlichen Patienten mit CDA1 eine Erweiterung des Genotyps/Phänotyps fest. Bei beiden Patienten wurde die molekulargenetische Diagnose mithilfe eines Next-Generation-Sequencing (NGS) basierten Hämatologie-Panels, in dem 292 Gene untersucht wurden, gesichert. Bei beiden Patienten fand sich eine heterozygote Mutation des CDAN1-Gens: Patient 1, NM_138477.2: c.2015C> T, p.P672L (väterlich vererbt, Neubeschreibung); c.1189C> T, S. R397W (mütterlich vererbt, bekannte pathogene Variante); Patient 2, NM_138477.2: c.2044C> T, p.R682* (mütterlich vererbt, bekannte pathogene Variante), c.3575T> C p.L1192S (väterlich vererbt, Neubeschreibung). Beide Patienten waren während des Säuglingsalters transfusionsabhängig, später waren keine weiteren Transfusionen erforderlich.

Patient 1 wurde im Alter von 17,9 Jahren mit milder makrozytärer CHA an unsere Abteilung überwiesen. Er hatte im Säuglingsalter eine operative Korrektur einer Lungenvenenfehlmündung (PAPVD) und eines ASD II und leidet anamnestisch seit dem 16. Lebensjahr an starken Kopfschmerzen. Mittels MRT des Schädels und der Wirbelsäule wurde eine Arnold-Chiari-Malformation Typ 1 (ACM 1) mit einer Syringomyelie sowie eine ausgeprägte extramedulläre Erythropoese des Schädels diagnostiziert. Nach der neurochirurgischen Sanierung der ACM1 besserten sich die Kopfschmerzen des Patienten deutlich.

Bei Patient 2 wurde im Alter von 3,4 Jahren eine CDA1 diagnostiziert. Er zeigte auch Zeichen einer extramedullären Hämatopoese des Schädels, jedoch wurde von Seiten der Eltern eine kraniale Bildgebung bisher abgelehnt. Derzeit ist er nicht transfusionsabhängig.

Beide Patienten hatten typische Befunde im peripheren Blut (d.h. Anisopoikilozytose, einzelne Erythrozyten wiesen eine basophile Tüpfelungen auf) und im Knochenmarksausstrich (Chromatinbrücken zwischen Erythroblastenkernen); und bei beiden zeigte sich bisher keine Eisenüberladung. Eine Therapie mit Interferon-α-wurde beiden Patienten angeboten, aber bisher bei keinem der beiden begonnen.

Wir empfehlen bei Patienten mit CDA1 eine kardiale Basisdiagnostik sowie bei auffälliger Fazies oder klinischen Beschwerden eine kraniale MRT Untersuchung durchzuführen. Darüber hinaus sollten Genotyp/Phänotyp-Daten prospektiv in einem internationalen Register erhoben werden, um eine genauere Genotyp/Phänotyp-Korrelation festzustellen und somit eine bessere Grundlage für das Management von Patienten mit dieser extrem seltenen Krankheit zu haben.