Kinder- und Jugendmedizin 2019; 19(02): 131-132
DOI: 10.1055/s-0039-1684087
Schmerztherapie bei Sichelzellkrankheit
Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Stationäre Behandlung starker Schmerzen

J Kunz
1   Universitätsklinikum Heidelberg, Zentrum für Kinder- und Jugendmedizin, Klinik für Kinderheilkunde III, Onkologie, Hämatologie, Immunologie und Pneumologie, Heidelberg
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Publication Date:
17 April 2019 (online)

 

Schmerzen im Rahmen vasookklusiver Krisen bestimmen die Lebensqualität von Patienten mit Sichelzellkrankheit. Akute Schmerzen sind meist nociceptiv bedingt, gelegentlich aber auch neuropathischen Charakters. Viele Empfehlungen zur Schmerztherapie bei Sichelzellkrankheit sind nicht in kontrollierten Studien erprobt.

Das Vorgehen bei akuten Schmerzen umfasst:

  • die Evaluation der vorangegangenen Schmerzmedikation,

  • die Gabe von Schmerzmitteln innerhalb von 30 min,

  • die Suche nach über die vasookklusive Krise hinausgehenden Schmerzursachen,

  • nicht pharmakologische Schmerztherapie: u.a. Wärmeanwendung, Physiotherapie, Mobilisierung, Ablenkung,

  • die Evaluation der Schmerzreduktion und von Nebenwirkungen,

  • supportiv: Hydratation, Antihistaminika, Antiemetika, Laxantien, “incentive spirometry”.

Bei Schmerzen, die sich auf peripher wirksame Analgetika nicht bessern, werden parenteral verabreichte Opioide, beispielsweise Morphin, empfohlen. Diese werden nach Wirksamkeit titriert. Eine Alternative zu Morphin ist Fentanyl, das auch buccal und intranasal applizierbar ist. Als schnell wirksames und sicheres Nichtopioidanalgetikum steht Lachgas als 50%-Gemisch mit Sauerstoff zur Verfügung. In Kombination mit Opioiden kann die Wirkung mehrere Stunden über die Inhalation hinaus anhalten. Ein weiteres potentes Nichtopioidanalgetikum ist Ketamin, das sowohl als Bolus anstelle von Morphin verabreicht werden kann, als auch in sehr niedriger, nicht sedierender Dosis koanalgetisch mit Opioiden wirkt. Gabapentin wird in einer klinischen Studie auf seine Wirksamkeit in der vasookklusiven Krise bei SCD untersucht. Es soll eine durch zentrale Schmerzsensitivierung bedingte Hyperalgesie verhindern. Neben der medikamentösen Schmerztherapie sind supportive Maßnahmen wie beispielsweise regelmäßige Atemübungen für die Vorbeugung weiterer Komplikationen wesentlich. Bei der seltenen Konstellation einer vasookklusiven Krise mit hohem Hämoglobin (> 10 g/dl) kann ein Aderlass wirksam sein und sollte früh eingesetzt werden. Erythrozytentransfusionen werden bei vasookklusiven Krisen ohne Organkomplikationen nicht empfohlen.

Da alle genannten Akutmaßnahmen oft nur unbefriedigend wirksam sind und die Entwicklung chronischer Schmerzen nicht sicher verhindern können, ist die Prophylaxe vasookklusiver Krisen der Behandlung akuter Schmerzen vorzuziehen.