Suchttherapie 2019; 20(S 01)
DOI: 10.1055/s-0039-1696162
Symposien
S21  Psychometrische Diagnostik bei Suchterkrankungen in der Routineversorgung
Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Zur Erfassung von Trinktagen: Bei welchen Personen sind kategoriale Antwortoptionen sinnvoll umrechenbar?

S Kuitunen-Paul
1   Klinik und Poliklinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie und -psychotherapie, Universitätsklinikum C. G.Carus, Dresden
,
M Höfler
2   Institut für Klinische Psychologie und Psychotherapie, Technische Universität Dresden
,
US Zimmermann
3   kbo-Isar-Amper-Klinikum München-Ost
,
C Sommer
1   Klinik und Poliklinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie und -psychotherapie, Universitätsklinikum C. G.Carus, Dresden
,
MN Smolka
4   Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie, Charité – Universitätsmedizin Berlin
5   Campus Charité Mitte, Berlin
,
M Sebold
6   Zurich Center for Neuroeconomics, Department of Economics, Universität Zürich
,
E Obst
4   Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie, Charité – Universitätsmedizin Berlin
,
S Nebe
6   Zurich Center for Neuroeconomics, Department of Economics, Universität Zürich
,
A Mejldal
7   Institute of Clinical Research, University of Southern Denmark, Odense
,
J Manthey
2   Institut für Klinische Psychologie und Psychotherapie, Technische Universität Dresden
,
A Heinz
5   Campus Charité Mitte, Berlin
,
J Birkenstock
1   Klinik und Poliklinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie und -psychotherapie, Universitätsklinikum C. G.Carus, Dresden
6   Zurich Center for Neuroeconomics, Department of Economics, Universität Zürich
,
H Wittchen
2   Institut für Klinische Psychologie und Psychotherapie, Technische Universität Dresden
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Publication History

Publication Date:
03 September 2019 (online)

 

Einleitung Die Häufigkeit (Frequenz) des Alkoholkonsums wird bei verschiedenen Instrumenten mittels kategorialer Antwortmöglichkeiten erfragt. Derzeit liegen keine empirischen Studien vor, die für solche Frequenzkategorien tagesgenaue Umrechnungsvorgaben ableiten. Diese Lücke soll durch den Vergleich von theoriegeleiteten und datengeleiteten Trinktage-Umrechnungsmodellen geschlossen werden.

Methode Es wurden Daten aus einer bizentrischen Studie an zwei deutschen Universitätskliniken ausgewertet. Neben N = 108 nicht-alkoholabhängigen Kontrollpersonen wurden N = 85 Patienten zum Entzugsbeginn sowie weitere N = 19 ehemalige Patienten mit Rückfall in den ersten 12 Monaten untersucht. Alkoholkonsum im letzten Monat wurde von jeder Person sowohl mit dem Munich Composite Diagnostic Interview (M-CIDI, kategoriale Frequenzerfassung) als auch mit dem Timeline Followback Interview (TLFB, tagesgenaue Frequenzerfassung) erfasst. Für jede Frequenzkategorie wurde anschließend die minimale, maximale sowie median-basierte Anzahl an Trinktagen berechnet und mit dem TLFB-basierten Mittelwert (robuste lineare Regression) verglichen.

Ergebnisse Patienten gaben überwiegend hohe und sehr hohe Trinkfrequenzen an. Über alle Personen hinweg hing die Anzahl der TLFB-Trinktage mit der Frequenzkategorie in der Alkoholsektion des M-CIDI zusammen (t = 22.2, p < .001). In den meisten M-CIDI Antwortkategorien entsprach die mittlere Anzahl an TLFB-Trinktage in etwa der jeweils maximal möglichen Anzahl an Trinktage (z. B. Kategorie „1 – 2 mal pro Woche“: 7.6 TLFB-Trinktage pro Monat im Vergleich zu 8.6 maximal möglichen Trinktagen pro Monat). Unterschiede zwischen der TLFB- und der M-CIDI-Trinktageanzahl wurden insbesondere bei Patienten sowie im hohen Frequenzbereich deutlich.

Schlussfolgerung Bei Personen mit zahlreichen Trinktagen, z. B. Patienten mit Alkoholabhängigkeit, erscheint eine tagesgenaue Erfassung des Alkoholkonsums der kategorialen Erfragung überlegen. Bei weniger Trinktagen bzw. Personen ohne Alkoholabhängigkeit scheint die Umrechnung kategorialer Angaben mithilfe der Maximalannahme zweckmäßig. Weiterer Forschungsbedarf besteht hinsichtlich der Validität der M-CIDI Selbstberichte, anderer Instrumente mit kategorialer Erfassung (z. B. AUDIT), anderer Settings (z. B. hausärztliche Regelversorgung) und weiterer Populationen (z. B. Personen mit Alkoholabhängigkeit ohne Entzugsbehandlung).