Suchttherapie 2019; 20(S 01)
DOI: 10.1055/s-0039-1696217
Symposien
S35  Merkmale abhängigen und missbräuchlichen Verhaltens bei Internetbezogenen Störungen
Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Assoziationen der Bedeutung von virtuellen Freunden für die Entwicklung einer Internetbezogenen Störung

H Hoffmann
1   Universität zu Lübeck, Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie
,
A Bischof
1   Universität zu Lübeck, Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie
,
G Bischof
1   Universität zu Lübeck, Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie
,
A Trachte
1   Universität zu Lübeck, Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie
,
D Brandt
1   Universität zu Lübeck, Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie
,
T Stamer
1   Universität zu Lübeck, Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie
,
B Besser
1   Universität zu Lübeck, Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie
,
S Orlowski
1   Universität zu Lübeck, Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie
,
C Meyer
2   Universität Greifswald, Institut für Sozialmedizin und Prävention
,
U John
2   Universität Greifswald, Institut für Sozialmedizin und Prävention
,
HJ Rumpf
1   Universität zu Lübeck, Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie
› Institutsangaben
Weitere Informationen

Publikationsverlauf

Publikationsdatum:
03. September 2019 (online)

 

Einleitung Studien deuten darauf hin, dass Personen mit Internetbezogenen Störungen kognitive Verzerrungen hinsichtlich der subjektiven Bedeutsamkeit von virtuellen gegenüber realen Freunde aufweisen. Bislang ist unklar, inwiefern dies mit der wahrgenommenen sozialen Unterstützung im realen Leben und psychischer Komorbidität zusammenhängt.

Methode In der PINTA-DIARI Studie erfolgte auf Basis einer populationsbasierten Stichprobe (n = 15 023) ein vertiefendes Interview mit 196 Proband/innen, die in der Compulsive Internet Use Scale (CIUS) einen Summenscore ≥ 21 aufwiesen. Zur Erfassung von Internetbezogenen Störungen wurde ein am Composite International Diagnostic Interview (CIDI) orientiertes, DSM-5 basiertes strukturiertes Interview eingesetzt. Die subjektive Bedeutsamkeit virtueller Freunde wurde mithilfe eines eigenständig entwickelten Fragebogens erfasst, soziale Unterstützung mit den Berlin Social Support Scales (BSSS) und Achse 1-Störungen mit dem CIDI. Mithilfe von Mann-Whitney-uTests und logistischen Regressionsmodellen wurden Zusammenhänge der subjektiven Bedeutsamkeit virtueller Freunde, sozialer Unterstützung, Achse 1-Störungen, der Haupttätigkeit im Internet sowie Soziodemografie mit Internetbezogenen Störungen untersucht.

Ergebnisse Es erfüllten 82 Proband/innen (40 Frauen; Alter M = 29.04, SD=11.81) die Kriterien einer Internetbezogenen Störung. Davon nutzten 36.6% hauptsächlich Online-Spiele, 36.6% Soziale Netzwerke und 26.8% sonstige Anwendungen. In univariaten Analysen wiesen Personen mit Internetbezogenen Störungen häufiger Essstörungen (p = .030), substanzbezogene Störungen (ohne Tabakabhängigkeit; p = .010) und depressive Störungen (p = .010) sowie eine höhere subjektive Bedeutsamkeit virtueller Freunde (p = .019) gegenüber Personen ohne Internetbezogene Störungen auf. In der multivariaten Analyse war der Zusammenhang der subjektiven Bedeutsamkeit virtueller Freunde und Internetbezogenen Störungen weiterhin statistisch bedeutsam (odds ratio OR 1.79, 95% Konfidenzintervall KI 1.07 – 3.00,p = .025), zusätzlich wurden die soziale Unterstützung (OR 0.79, 95% KI 0.69 – 0.91,p = .001) und das Vorliegen einer Achse 1-Störung (OR 3.96, 95% KI 1.55 – 10.10,p = .004) signifikant.

Diskussion Die Ergebnisse zeigen Hinweise darauf, dass Personen mit Internetbezogenen Störungen virtuellen Freunden eine größere subjektive Bedeutung zuschreiben. Dieser Zusammenhang blieb bei Kontrolle der sozialen Unterstützung im realen Leben und psychischer Komorbidität statistisch bedeutsam. Dies sollte in der Präventions- und Therapieplanung berücksichtigt werden.