Hamostaseologie 2019; 39(S 02): S01-S10
DOI: 10.1055/s-0039-3400717
Hämophilie Teil I
Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Orthopädie Schmerzprofil bei Patienten mit Hämophilie: Mechanismen und Strukturen

Steffen Krüger
1   Lehrstuhl für Sportmedizin, Bergische Universität Wuppertal, Wuppertal, Germany
,
Thomas Hilberg
1   Lehrstuhl für Sportmedizin, Bergische Universität Wuppertal, Wuppertal, Germany
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Publication Date:
20 November 2019 (online)

 

Einleitung: Rezidivierende Einblutungen initialisieren bei Patienten mit Hämophilie (PmH) degenerative Gelenkveränderungen, die mit dem Begriff der hämophilen Arthropathie umschrieben sind. Charakteristisch für die hämophile Arthropathie sind Schmerzen, die mit fortschreitender Erkrankung chronifizieren konnen. Trotz hoher Bedeutung ist über die Hintergrunde, die dem Schmerz zugrunde liegen, wenig bekannt.

Methoden: Im Rahmen von drei Studien wurden 1) die Funktion der schmerzleitenden Fasern mittels Quantitative Sensorischer Testung (QST) sowie 2) strukturelle Veränderungen mittels Ultraschall (US) als mögliche Schmerzursache sowie 3) die deszendierende Schmerzmodulation mittels Conditioned- Pain-Modulation (CPM) bei Patienten mit mittelschwerer bzw. schwerer Hämophilie untersucht. Die QST zur Erstellung des Schmerzprofils wurde an betroffenen und einem nicht-betroffenen Areale(n) durchgeführt, um periphere sowie zentrale Veränderungen des schmerzverarbeitenden Systems zu detektieren.

Ergebnisse: 1) Die Ergebnisse der ersten Studie zeigten ein hämophiliespezifisches QST-Profil, gekennzeichnet, u.a. durch erhöhte thermische und mechanische Wahrnehmungsschwellen sowie verminderte Druckschmerzschwellen. Dadurch, dass die Kältewahrnehmungsschwellen an einer nichtbetroffenen Referenz zwischen PmH (−2.3 } 1.4 °C) und Kontrollen (−1.3 } 0.6 °C) unterschiedlich waren (p = 0.002), konnten neben peripheren erstmals auch zentrale Veränderungen im schmerzverarbeitendem System bei PmH nachgewiesen werden. 2) Durch die US-Studie konnte gezeigt werden, dass PmH im Vergleich zu Kontrollen eine generell gesteigerte Schmerzempfindlichkeit an den Kniegelenken haben (p≤0.003). Die erhöhte Schmerzempfindlichkeit bei PmH geht besonders mit Osteophyten (z.B. femoral in mm: PmH: 3.1 } 5.0, Kon: 0.0 } 0.0 p≤0.000) sowie einer Hyperplasie der Synovialis einher. 3) Die CPM-Resultate belegten, dass zudem die endogene Schmerzhemmung bei PmH signifikant beeinträchtigt ist (p=0.008).

Diskussion: Die Ergebnisse der Studien zeigen erstmals multiple Veränderungen des schmerzverarbeitenden Systems bei PmH, wodurch sich ein krankheitsspezifisches pathophysiologisches Schmerzprofil abzeichnen lasst. Neben einer peripheren Sensibilisierung können auch zentrale Mechanismen sowie eine reduzierte endogene Schmerzmodulation an der Schmerzentstehung beteiligt sein. Als Basis für ein suffizientes Schmerzmanagement sollten diese Erkenntnisse zwingend in der Schmerzdiagnostik bei PmH berücksichtigt werden.