Z Geburtshilfe Neonatol 2019; 223(S 01): E21-E22
DOI: 10.1055/s-0039-3401118
Vorträge
Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Vorgeburtliche Behandlung der ektodermalen Dysplasie mit einem Ersatzprotein

H Schneider
1   Universitätsklinikum Erlangen, Zentrum für Ektodermale Dysplasien, Erlangen, Deutschland
,
F Faschingbauer
1   Universitätsklinikum Erlangen, Zentrum für Ektodermale Dysplasien, Erlangen, Deutschland
,
S Wohlfart
1   Universitätsklinikum Erlangen, Zentrum für Ektodermale Dysplasien, Erlangen, Deutschland
,
O Rompel
1   Universitätsklinikum Erlangen, Zentrum für Ektodermale Dysplasien, Erlangen, Deutschland
,
N Kirby
2   Edimer Pharmaceuticals, Cambridge, Vereinigtes Königreich
,
MW Beckmann
1   Universitätsklinikum Erlangen, Zentrum für Ektodermale Dysplasien, Erlangen, Deutschland
,
P Schneider
3   Universität Lausanne, Biochemisches Department, Epalinges, Schweiz
› Author Affiliations
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Publication History

Publication Date:
27 November 2019 (online)

 

Einleitung:

X-chromosomal vererbte hypohidrotische ektodermale Dysplasie (XLHED), die mit Abstand häufigste Form ektodermaler Dysplasien, ist charakterisiert durch angeborenen Mangel an Zähnen und Hautanhangsgebilden wie Haaren und Schweißdrüsen. Verursacht wird sie durch Mutationen des Gens EDA, welches das Signalprotein Ektodysplasin A1 kodiert. Die pränatalsonografisch schon vor der 20. Schwangerschaftswoche feststellbare Nichtanlage der meisten Zähne führt zur Hypoplasie von Ober- und Unterkiefer. Das klinische Hauptproblem sind jedoch die fehlenden Schweißdrüsen, die sich normalerweise zwischen der 20. und der 30. SSW entwickeln. Weil viele männliche Betroffene nirgendwo am Körper schwitzen können, erleiden sie bei Hitze, banalen Infekten oder körperlicher Anstrengung leicht einen Wärmestau. Im Säuglings- und Kleinkindalter sind lebensbedrohliche Hyperthermie-Episoden häufig, die Sterblichkeit im ersten Lebensjahr liegt in Europa zwischen 2% und 20%.

Material/Methode:

Ein Ektodysplasin A1-Ersatzprotein (Fc-EDA), das via Fc-Rezeptor im Darm des Fetus transzytotisch in den fetalen Blutkreislauf aufgenommen wird, wurde im Rahmen vorgeburtlicher Heilversuche bei zwei betroffenen Gemini-Feten und einem Einling mehrmals (Gemini, SSW 26 und 31) bzw. einmalig (Einling, SSW 26) ins Fruchtwasser appliziert. Dieser Therapieansatz war von uns zuvor am XLHED-Mausmodell erprobt worden und hatte dort zum Ausbleiben sämtlicher Krankheitserscheinungen geführt.

Ergebnisse:

Die pränatale Verabreichung von Fc-EDA gelang jeweils komplikationslos. Zu verschiedenen Zeitpunkten danach entnommene Blutproben der Schwangeren gaben keinen Hinweis auf einen transplazentaren Übertritt des Proteins. Die Entbindung der Zwillinge erfolgte in der 33. SSW nach vorzeitigem Blasensprung; der Einling kam in der 39. SSW zur Welt. Konfokale Laser-Scanning-Mikroskopie der Fußsohlen zeigte jeweils eine normale Schweißdrüsenzahl, während die unbehandelten älteren Brüder der Patienten keinerlei Schweißdrüsen aufwiesen. Wiederholte Messung der Pilocarpin-induzierten Schweißproduktion im Alter von 5 bis 36 Monaten ergaben bei den Zwillingen eine dauerhaft normale, bei dem nur einmalig behandelten Kind eine reduzierte, aber ausreichende Schweißproduktion. Auch die Zahl der Meibomdrüsen in den Augenlidern sowie der Speichelfluss waren im Vergleich zu Kontrollpatienten erhöht bzw. nahezu normalisiert. Bei den drei behandelten Kindern wurden jeweils 9 bzw. 10 Zahnanlagen entdeckt – deutlich mehr als bei ihren unbehandelten älteren Brüdern (2 bzw. 4 Zähne/Zahnanlagen).

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Abb. 1

Schlussfolgerung:

Diese Daten zeigen, dass pränatale Therapie mit Fc-EDA die Korrektur einer bislang unheilbaren erblichen Entwicklungsstörung bewirken kann. Die hier erstmals dokumentierte Nutzung des neonatalen Fc-Rezeptors käme auch für die Behandlung anderer fetaler Entwicklungsstörungen (z.B. bestimmter Lippen-Kiefer-Gaumenspalten oder lysosomaler Speicherkrankheiten) mit rekombinanten Ersatzproteinen infrage.