Wie süß muss ein Baby sein? Ein Plädoyer für eine Neubewertung der sicheren Hypoglykämiegrenzen

Seit Jahrzehnten wird die Diskussion, welcher untere Grenzwert des neonatalen Blutzuckers mit einem Risiko für eine neurologische Schädigung verbunden ist, auf der Basis unzureichender Daten geführt. Nationale Leitlinien betonen die unzureichende Evidenz und kommen zu erheblich divergierenden Empfehlungen, Die 2019 aktualisierten österreichischen Empfehlungen[i] sehen die Indikation für eine i.v.-Glucose-Substitution erst unterhalb von 25 mg/dl (1,4 mmol/l) gegeben, BZ-Werte ab 36 mg/dl (2,0 mmol/l) werden bei asymptomatischen Neugeborenen als unbedenklich angesehen. Auch gemäß der AWMF-Leitlinie 024/006 von 2017 werden BZ-Werte bis 36 mg/dl toleriert, eine i.v.-Substitution soll ab Werten < 30 mg/dl (1,7 mmol/l) erfolgen. Jüngere Studien mit hohen Fallzahlen wecken Zweifel an der Sicherheit dieser niedrigen Grenzen. In einer populationsbasierten Studie wurde für 10-jährige eine Assozation einer transitorischen Hypoglykämie zwischen 2,0 und 2,5 mmol/l mit schlechterer Lese-, Schreib- und Mathematikkompetenz aufgezeigt[ii]. Daten weiterer Studien mit hoher Qualität und Fallzahl weisen ebenfalls auf kognitive Beeinträchtigungen in Folge moderater neonataler Hypoglykämie hin[iii],[iv].

Es ist an der Zeit, im Lichte neuer Daten die Diskussion über Nutzen und Risiken des derzeitigen toleranten Umgangs mit neonataler Hypoglykämie wieder aufzunehmen.

Literatur:

[i] Kautzky-Willer A et al. Wien Klin Wschr 2019;131:91 – 102.

[ii] Kaiser JR, Bai S, Gibson N et al. Association Between Transient Newborn Hypoglycemia

and Fourth-Grade Achievement Test Proficiency. A Population-Based Study. JAMA Pediatr 2015;169:913 – 921

[iii] McKinlay CJ, Alsweiler JM, Anstice NS et al. Association of Neonatal Glycemia With Neurodevelopmental Outcomes at 4.5 Years. JAMA Pediatr 2017;171:972 – 983.

[iv] Wickström R, Skiöld B, Petersson G, Stephansson O, Altman M. Moderate neonatal hypoglycemia and adverse neurological development at 2 – 6 years of age. Eur J Epid 2018);33:1011 – 1020.