Osteologie 2020; 29(01): 48
DOI: 10.1055/s-0039-3402838
1. Freie Vorträge I
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Paläopathologie der Wirbelsäule im frühen Mittelalter

J Weber
1   Klinik für Neurochirurgie, Klinikum Steinenberg, Reutlingen, Germany
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Publication Date:
25 February 2020 (online)

 

Einleitung Bei archäologischen Ausgrabungen im Südwesten von Deutschland konnten zahlreiche gut erhaltene Skelette aus dem frühen Mittelalter (6. bis 8. Jahrhundert n. Chr.; Volkstamm der Alamannen) geborgen werden. In der vorliegenden systematischen Untersuchung werden die Wirbelsäulen von 253 Individuen aus dieser Zeit untersucht. Ziel der Studie ist es, die Häufigkeit von unterschiedlichen Erkrankungen der Wirbelsäule in dieser Population aufzuzeigen.

Methode Zur paläopathologischen Untersuchung der Wirbel wurden makroskopische und mikroskopische Methoden angewandt sowie computertomographische und röntgenologische Bildgebung bei besonderen Fragestellungen.

Ergebnisse Die anthropologische Untersuchung ergab ein durchschnittliches Sterbealter um 34 Jahre, wobei Frauen eine geringere Lebenserwartung hatten. Degenerative Veränderungen der Halswirbelsäule konnten in 27 % (Durchschnittsalter um 44 Jahre) beobachtet werden. Eine Spondylose oder Spondylarthrose der Lendenwirbelsäule lag bei 26 % der Skelette vor (Durchschnittsalter um 44 Jahre). Eine Spondylolyse fand sich bei 3,8 % der untersuchten Lendenwirbelsäulen, und in 3,8 % zeigte sich ein Morbus Scheuermann im thorakolumbalen Übergang. Folgende weitere Pathologien wurden selten beobachtet (<1 %): Morbus Bechterew ([Abb.1]), spinale Tuberkulose, Wirbelkörperfraktur oder kongenitale Fehlbildung (Schmetterlingswirbel). Osteoplastische oder osteolytische Tumore konnten nicht beobachtet werden.

Diskussion Die anzunehmende körperliche Aktivität im frühen Mittelalter führte zu keiner Zunahme von degenerativen Veränderungen im Vergleich mit der Prävalenz heutzutage. Maligne Tumore wurden in frühen Kulturen nur selten oder, wie in der vorliegenden Studie, nicht beobachtet. Die spinale Tuberkulose war bei den Alamannen eine seltene Erkrankung – im Gegensatz zu anderen prähistorischen Populationen.

Keywords Paläopathologie, Wirbelsäule, Degenerative Erkrankungen

Korrespondenzadresse Jochen Weber, Klinik für Neurochirurgie, Klinikum Steinenberg, Steinenbergstrasse 31, Reutlingen, Germany

E-Mail palaeoweber@gmx.de

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Abb.1.