Pneumologie 2020; 74(S 01): 5
DOI: 10.1055/s-0039-3403060
Freie Vorträge (FV01) – Sektion Arbeitsmedizin, Epidemiologie, Umwelt- und Sozialmedizin
Aspekte der Arbeitsmedizin und Epidemiologie
Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Krebs in der Glasindustrie – eine systematische Übersicht und Meta-Analyse

M Lehnert
1   Institut für Prävention und Arbeitsmedizin der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung, Institut der Ruhr-Universität Bochum (Ipa)
,
T Behrens
1   Institut für Prävention und Arbeitsmedizin der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung, Institut der Ruhr-Universität Bochum (Ipa)
,
K Guldner
2   Verwaltungs-Berufsgenossenschaft (Vbg), Würzburg
,
T Brüning
1   Institut für Prävention und Arbeitsmedizin der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung, Institut der Ruhr-Universität Bochum (Ipa)
,
D Taeger
1   Institut für Prävention und Arbeitsmedizin der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung, Institut der Ruhr-Universität Bochum (Ipa)
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Publikationsverlauf

Publikationsdatum:
28. Februar 2020 (online)

 

Hintergrund: Die Internationale Krebsagentur (IARC) klassifizierte im Jahr 1993 die Beschäftigung in der Kunstglas-, Hohlglas und Pressglasherstellung bei begrenzter Evidenz als wahrscheinlich krebserregend (Gruppe 2A) und begründete dies mit einer möglichen Exposition gegenüber verschiedenen beruflichen Karzinogen, wie z. B. Quarz, Asbest, PAK oder verschiedenen Schwermetallen. Nach systematischem Review der zwischen 1993 und 2018 publizierten Literatur wurde eine Metaanalyse der Risikoschätzer ausgewählter Studien vorgenommen.

Methode: Geeignete Risikoschätzer wurden in einer Meta-Analyse bestimmt. Zuvor wurden Studien mit nicht ausschließlicher Exposition in der Glasherstellung (z. B. Keramikindustrie) ausgeschlossen.

Ergebnisse: Das gepoolte standardisierte Inzidenz-Ratio (mSIR) bzw. standardisierte Mortalitäts-Ratio (mSMR) aus den Kohortenstudien betrugen für Lungenkrebs mSIR = 1,25; 95% Konfidenzintervall (KI) 0,97 – 1,59 (2 Studien) und SMR = 1,41; 95% KI 1,11 – 1,77 (3 Studien). Die gepoolte Odds Ratio (mOR) aus fünf Fallkontrollstudien betrug 1,25; 95% KI 0,90 – 1,73. Für das Larynxkarzinom ergab sich ein mOR von 1,35; 95% KI 0,73 – 2,52 (4 Studien). Fünf gepoolte Fallkontrollstudien ergaben für das Harnblasenkarzinom ein mOR von 2,09; 95% KI 0,79 – 5,53.

Schlussfolgerungen: Nur in wenigen publizierte Studien wurde das Krebsrisiken speziell in der Glasindustrie untersucht. Bei weiterhin heterogener Studienlage weisen die gepoolten Risikoschätzer nach wie vor auf ein tendenziell erhöhtes Risiko für Krebserkrankungen der Atemwege hin. Insbesondere bei Lungenkrebs kann eine Beschäftigung in der Glasindustrie als Ursache nicht ausgeschlossen werden. Fehlende Informationen zu individuellen Expositionen am Arbeitsplatz und zu Lebensstilfaktoren, insbesondere Tabakkonsum, limitieren die Aussagekraft zahlreicher Studien.