Pneumologie 2020; 74(S 01): 80
DOI: 10.1055/s-0039-3403238
Freie Vorträge (FV10) – Sektion Rehabilitation, Prävention und Tabakkontrolle
Highlights aus der Rehabilitation und Tabakkontrolle
Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Inanspruchnahme von Tabakentwöhnung in pneumologischen Facharztpraxen – Erfahrungen aus der ATEMM-Studie

FG Loth
1   Klinische Psychologie und Psychotherapie, TU Chemnitz
,
J Bickhardt
2   Facharzt für Innere Medizin, Berufsverband der Pneumologen in Sachsen e. V.
,
T Heindl
3   Praxis Leipzig, Berufsverband der Pneumologen in Sachsen e. V.
,
S Mühlig
1   Klinische Psychologie und Psychotherapie, TU Chemnitz
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Publication History

Publication Date:
28 February 2020 (online)

 

Tabakrauchen stellt den ätiologischen Hauptfaktor für die Entstehung einer COPD und eine entscheidende Bedingung für deren Prognose im weiteren Krankheitsverlauf dar. Obwohl die Effektivität verhaltenstherapeutischer und medikamentöser Maßnahmen zur Tabakentwöhnung bei Rauchern mit COPD mit hoher Evidenz belegt ist, sieht die deutsche Gesetzgebung keine Kostenübernahme für Tabakentwöhnungsmaßnahmen als heilkundliche Kassenleistung vor. Im Rahmen eines Modellprojekts erhielten 550 Patienten mit drohender oder bestehender COPD eine leitliniengerechte Tabakentwöhnung unter Realbedingungen durch pneumologische Facharztpraxen und psychologische Psychotherapeuten in Sachsen und Thüringen (ATEMM-Studie). In der Maximalintervention erfolgte eine vollständige Kostenübernahme inkl. medikamentöser Unterstützung im Rahmen der GKV. Patienten des parallelen Studienarms (n = 257) erhielten als Minimalintervention eine ärztliche Kurzberatung, evtl. medikamentöse Therapien waren vom Patienten selbst zu finanzieren. Berichtet werden die Inanspruchnahme der Behandlungsangebote, Compliance und Abstinenz nach 12 Monaten. Neben lungenärztlich erhobenen Daten wurden auch Teilnehmerbefragungen sowie Abrechnungsdaten der Krankenkasse ausgewertet. Nach 12 Monaten war die Hälfte der Teilnehmer (47%) der Maximalintervention nach strengen Kriterien (CO-Messung) rauchfrei (Intention-to-treat: 38%), aber nur 8% in der Minimalintervention (Intention-to-treat 6%). Die überwiegende Mehrheit (90%) der Patienten der Maximalintervention machte von der optionalen medikamentösen Therapie Gebrauch (Vareniclin, Nikotinersatzprodukte). Pro Patient wurden im Durchschnitt drei Verordnungen mit Bruttokosten von 293 € abgerechnet. Ein Großteil der Patienten der Minimalintervention unternahmen innerhalb des Studienjahres eigenständige Rauchstoppversuche, jedoch nutzen nur 9% medikamentöse Unterstützung. Das Modellprojekt zeigt, dass Patienten der Maximalintervention das komplexe Tabakentwöhnungsangebot mit hoher Akzeptanz in Anspruch nehmen, wenn ihnen es vollfinanziert angeboten wird. Die damit erzielten hohen Abstinenzraten unterstützen die Forderung nach einer vollfinanzierten Tabakentwöhnung als heilkundliche GKV-Leistung in Deutschland.