Dtsch Med Wochenschr 2015; 140(03): 213
DOI: 10.1055/s-0041-100151
Fachwissen
Leserbrief
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Blutungskomplikationen unter oraler Antikoagulation

Bleeding complications under oral anticoagulation
Claudia Stöllberger
1   2. Medizinische Abteilung mit Kardiologie und internistischer Intensivmedizin, Krankenanstalt Rudolfstiftung, Wien
,
Peter Pommer
2   Gesundheitszentrum Oberammergau, Oberammergau
,
Birke Schneider
3   Medizinische Klinik II, Kardiologie und Angiologie, Sana Kliniken Lübeck
› Author Affiliations
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Publication History

Publication Date:
06 February 2015 (online)

Mit großem Interesse haben wir den Artikel von J. Beyer-Westendorf gelesen [[1]] Wir möchten die folgenden Anmerkungen und Kommentare dazu äußern:

  1. Es fehlt ein Literaturzitat dafür, dass „im klinischen Alltag die Sicherheit der Vitamin-K-Antagonisten (VKA) und die Wirksamkeit der Antagonisierung überschätzt und die Sterblichkeit nach VKA-assoziierter schwerer Blutung häufig sehr unterschätzt“ werde. Sie steht im Widerspruch zu vielen Daten, die zeigen dass Patienten, die einer oralen Antikoagulation bedürfen, diese aus der Furcht vor Blutungen nicht erhalten [[11], [13]].

  2. In Studien, die den VKA Warfarin mit NOAK bei Patienten mit Vorhofflimmern verglichen, war die Qualität der INR-Kontrolle mangelhaft: In der Vergleichsstudie Warfarin mit Dabigatran lag der INR-Wert nur 64 % der Zeit im therapeutischen Bereich, mit Rivaroxaban 55 % und mit Apixaban 62 % [[3], [4], [9]]. Bis heute ist es unbekannt, ob und wie oft die INR-Werte über oder unter dem therapeutischen Bereich gelegen waren. Auch das Ausmaß der Abweichungen, das für die Inzidenz von Blutungen und Embolien von Bedeutung ist, bleibt ungewiss. Diese Information konnten wir weder von den Autoren noch den die Studien sponsernden Herstellerfirmen in Erfahrung bringen [[12]].

  3. Daten aus einem europäischen Register haben gezeigt, dass in Deutschland die Zeit im therapeutischen INR-Bereich 81,4 % beträgt, also weit höher als in den NOAK-Vergleichsstudien [[7]]. Ob daher die NOAK bei den mit dem INR-Wert gut eingestellten deutschen Patienten effizienter und sicherer als VKA sind, ist unbekannt.

  4. Unverständlich bleibt, warum die INR-Selbstkontrolle überhaupt nicht erwähnt wird. Sie führt bei verschiedenen Indikationen für eine VKA-Therapie zu einer stabileren und sichereren Antikoagulationstherapie als die konventionelle Form der Einstellung mit VKA [[6]].

  5. Als Vorteil der NOAK gegenüber VKA wird im Artikel ihre „therapeutische Breite“ erwähnt. Dieser Aussage widersprechen die Daten aus der Dabigatran untersuchenden Studie, die eine signifikante Beziehung zwischen thromboembolischen Ereignissen und niedrigem Dabigatran-Spiegel und Blutungsereignissen und hohem Dabigatran-Spiegel gezeigt haben [[10]].

  6. Die meisten Patienten mit Vorhofflimmern sind > 75 Jahre alt [[5]]. Das mittlere Alter der ins Dresdner NOAK Register eingeschlossenen Patienten war 75 Jahre [[2]]. Das Blutungsrisko der oralen Antikoagulation ist im Alter erhöht, wie es auch das Dresdner NOAK-Register zeigte. Da Patienten > 80 Jahre sowohl in den NOAK-Vergleichsstudien als auch in Registern unterrepräsentiert sind, wissen wir derzeit sehr wenig über das Blutungsrisiko dieser Patientengruppe unter NOAK. Es besteht daher ein dringender Bedarf an weiteren Informationen, da unsere Patienten ständig älter werden.

  7. Der Autor gibt an dass er Honorare von allen NOAK-Herstellerfirmen erhalten hat. Die Aussage, dass diese Honorare ohne Bezug auf den Inhalt des Artikels sind, wird durch die Ergebnisse einer Cochrane Analyse relativiert, die zeigt, dass es auch unbeabsichtigt zu einem „industry bias“ kommen kann. [[8]]

Erwiderung

 
  • Literaturverzeichnis

  • 1 Beyer-Westendorf J. Blutungskomplikationen unter oraler Antikogulation. Dtsch Med Wochenschr 2014; 139: 2491-2493
  • 2 Beyer-Westendorf J, Förster K, Pannach S et al. Rates, management, and outcome of rivaroxaban bleeding in daily care: results from the Dresden NOAC registry. Blood 2014; 124: 955-962
  • 3 Connolly SJ, Ezekowitz MD, Yusuf S et al. Dabigatran versus warfarin in patients with atrial fibrillation. New Engl J Med 2009; 361: 1139-1151
  • 4 Granger CB, Alexander JH, McMurray JJ et al. Apixaban versus warfarin in patients with atrial fibrillation. New Engl J Med 2011 365: 981-992
  • 5 Heeringa J, van der Kuip DA, Hofman A et al. Prevalence, incidence and lifetime risk of atrial fibrillation: the Rotterdam study. Eur Heart J 2006; 27: 949-953
  • 6 Heneghan C, Ward A, Perera R et al. Self-monitoring of oral anticoagulation: systematic review and meta-analysis of individual patient data. Lancet 2012; 379: 322-334
  • 7 Le Heuzey JY, Ammentorp B, Darius H et al. Differences among western European countries in anticoagulation management of atrial fibrillation. Data from the PREFER IN AF registry. Thromb Haemost 2014; 111: 833-841
  • 8 Lundh A, Sismondo S, Lexchin J et al. Industry sponsorship and research outcome. Cochrane Database Syst Rev 12.12.2012; 12 MR000033 DOI: 10.1002/14651858.MR000033.pub2.
  • 9 Patel MR, Mahaffey KW, Garg J et al. Rivaroxaban versus warfarin in nonvalvular atrial fibrillation. New Engl J Med 2011; 365: 883-891
  • 10 Reilly PA, Lehr T, Haertter S et al. The effect of dabigatran plasma concentrations and patient characteristics on the frequency of ischemic stroke and major bleeding in atrial fibrillation patients: the RE-LY Trial (Randomized Evaluation of Long-Term Anticoagulation Therapy). J Am Coll Cardiol 2014; 63: 321-328
  • 11 Rosenman MB, Simon TA, Teal E et al. Perceived or actual barriers to warfarin use in atrial fibrillation based on electronic medical records. Am J Ther 2012; 19: 330-337
  • 12 Ruff CT, Giugliano RP, Braunwald E et al. New oral anticoagulants in patients with atrial fibrillation – Authors’reply. Lancet 2014; 384: 25-26
  • 13 Zimetbaum PJ, Thosani A, Yu H et al. Are atrial fibrillation patients receiving warfarin in accordance with stroke risk?. Am J Med 2010; 123: 446-453