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DOI: 10.1055/s-0041-102169
Psychosen
Bücher zum ThemaPublikationsverlauf
Publikationsdatum:
07. September 2015 (online)
Fachliteratur
Das 2014 in 2. Auflage erschienene Therapie-manual fokussiert den verhaltenstherapeutischen Behandlungsansatz des schizophrenen Erkrankungsbildes. Die Autorin beginnt mit einer ausführlichen Beschreibung des Theoriehintergrundes in Form von Symptombeschreibung, diagnostischer Klassifikation, Epidemiologie, ätiologischer Befunde und psychologischer Erklärungsmodelle; dann richtet sie ihr Augenmerk im 2. Teil auf therapeutische Interventionen. Dabei konzentriert sie sich sowohl auf die Dokumentation gängiger Diagnostikverfahren als auch einzelner Behandlungsbausteine mit zahlreichen praktischen Beispielen. Hilfreiche Arbeitsmaterialien sowie Fragebögen zur Symptomerhebung finden sich auf einer beiliegenden CD-ROM. Indem das Therapiemanual die klassifikatorischen Neuerungen des DSM-5 und den aktualisierten Stand der psychologischen Ursachenforschung berücksichtigt, geht es über die Erstauflage von 2005 hinaus. Insbesondere werden dabei, neben den psychosozialen Risikofaktoren, die Früherkennung und Prävention fokussiert. Das Manual bietet mit klarer Struktur und leicht verständlichen Ausführungen eine hilfreiche Unterstützung im verhaltenstherapeutischen Arbeitsprozess.
Spätestens mit der Etablierung des „Expressed-Emotions-Modells“ als Ausdruck einer erhöhten Rückfallwahrscheinlichkeit für schizophren Erkrankte bei schwierigem innerfamiliären Interaktionsverhalten hat sich die Bedeutung sozialer Faktoren bei schizophrener Symptomentstehung und -aufrechterhaltung gezeigt. Retzer definiert Systemische Familientherapie als Versuch, „über die Intervention in familiäre und institutionelle Kommunikationsmuster psychische Veränderungsprozesse anzuregen“. Übersichtlich strukturiert beschreibt der Mediziner und Psychotherapeut zunächst einige Grundgedanken der Systemischen Therapie, um anschließend auf das interaktionell geprägte Psychosemodell und die Psychosentherapie einzugehen. Behandlungskonzepte werden nochmals differenziert für Psychosen, bipolare und schizoaffektive Störungen dargestellt. Hilfreich bei den anspruchsvollen Ausführungen sind an den jeweiligen Kapitelenden stehende Zusammenfassungen sowie anschauliche Darstellungen passender Therapiesequenzen. Abgerundet werden die Beiträge Retzers mit wissenschaftlichen, durch optische Grafiken unterstützte Evaluationsdaten der beschriebenen Therapieform. Ein gelungenes Buch, von dem sowohl Systemiker als auch Vertreter anderer Therapieschulen profitieren können.
Mit der 3. Auflage ihres Lehrbuches gelingt Hartwich und Grube eine aktuelle Darstellung der psychodynamischen Psychosebehandlung. Der Schwerpunkt liegt dabei eindeutig auf der Interaktion zwischen neurobiologischen und tiefenpsychologischen Konzepten, deren Abhandlung sich an neuesten empirischen Erkenntnissen orientiert. Der fachkundige Leser findet Informationen über hirnorganische Veränderungen bei Psychosen, ätiologische Modelle sowie psychodynamische Therapieprozesse. Jenseits der üblichen Gliederung nimmt das Buch durch seinen weiten Blick auf das Erkrankungsbild einen besonderen Platz in der Forschungsliteratur ein und integriert auch spezifischere Themen wie Traumerleben, Kreativität und Partnerschaft. Einzelne Phänomene, etwa die Parakonstruktion, werden durch Fallbeispiele veranschaulicht. Die Stärke des Werkes liegt darin, dass Fakten nicht einfach dargestellt werden. So folgt der Leser im Kapitel über Psychopharmaka keiner gängigen Abhandlung über einzelne Medikamentenklassen, sondern erfährt vielmehr Wichtiges über die Auswirkung der Medikation auf die Beziehung zwischen Patient und Behandelndem. Wer sich mit der tiefenpsychologischen Behandlung psychotischer Patienten befassen möchte, ist mit diesem umfassenden wie informativen Werk bestens beraten.
Cullberg will mit seinem Fachbuch zur integrativeren und humaneren Versorgung von Menschen mit psychotischer Erkrankung beitragen. Er schafft den Spagat zwischen der Anerkennung biologischer Ätiologie und daraus entstehender Notwendigkeit medikamentöser Therapie sowie der Wichtigkeit psychologischer Behandlung. Dabei fließen immer wieder humanphilosophische Ansätze, psychoanalytische Sichtweisen, historische Bezüge, neurowissenschaftliche Konzepte und persönliche Erfahrungen des Autors ein. Dadurch gestalten sich die Ausführungen sehr facettenreich und geben einen ganzheitlichen Blick über die beschriebene Erkrankung. Die differenzierte Analyse zeigt sich zudem in der ressourcenorientierten Haltung Cullbergs, der sich, neben der Problembeschreibung, ausführlichst Schutzfaktoren widmet und das therapeutische Vorgehen als einen Prozess der unterstützenden Genesung ansieht. Das Buch bietet weniger eine genaue Therapieanleitung, sondern fördert durch die integrative Perspektive ein grundlegendes Verständnis von Psychosen, wovon alle profitieren werden, die mit diesem Erkrankungsbild arbeiten.
Unterscheidet sich die Behandlung von Patienten mit Psychosen von der Therapie anderer psychisch Erkrankter? Klingberg und Hesse können dies aus der Erfahrung ihrer psychotherapeutischen Arbeit im psychiatrischen Kontext verneinen. In ihrem kognitiv-verhaltenstherapeutischen Praxismanual stellen sie die Konzeption der Behandlung von Menschen mit Psychosen praxisnah und unter Berücksichtigung allgemeiner therapeutischer Wirkprinzipien dar. Neben der Beschreibung von u. a. Beziehungsaufbau, Motivationsförderung und Diagnostik geht es vorrangig um die konkrete Skizzierung gruppentherapeutischer Sitzungen im Zusammenhang mit Psychosen. Ob motivationsfördernde Orientierungsgruppe, Psychoedukations- oder Angehörigengruppe: Veranschaulicht werden immer die thematischen Leitfäden, psychotherapeutische Ziele sowie konkrete Anleitungen für den Gruppenablauf. Hilfreiche Arbeitsmaterialien finden sich auf einer beiliegenden CD-ROM. Trotz ausführlicher Beschreibungen dient das Therapiemanual nicht als Lehrbuchersatz, wie die Autoren eingangs explizit darlegen: Der Leser sollte ein umfangreiches Grundwissen zum Thema Psychose mitbringen und zur vertiefenden Eigenlektüre bereit sein, um das vorliegende Buch sinnvoll und effektiv nutzen zu können.
Viele Fachbeiträge zum Thema Psychose beschäftigen sich vorrangig mit der akuten Erkrankungsphase und der Behandlung der entsprechenden Symptomatik. Doch was ist mit den sozialen Auswirkungen? Viele Therapiemanuale bieten hier nur eingeschränkt Informationsgewinn. Der bundesweite Forschungsverbund „Kompetenznetz Schizophrenie“ hat diese Lücke gefüllt. Mit ihrem Praxisleitfaden zur Früherkennung und -intervention bei Psychosen setzen die Autoren den Fokus auf die frühzeitige Identifikation von Risikopersonen, um vor der Manifestation einer psychotischen Episode präventiv intervenieren zu können. Das Behandlungsprogramm basiert auf Erkenntnissen langjähriger Studien, deren Ergebnisse ausführlich dargestellt werden. Mithilfe diagnostischer und therapeutischer Materialien wird bereits zum frühen Zeitpunkt eine stufenweise Klassifikation der Befragten in Personen mit „keinem erhöhten Psychoserisiko“ bis hin zur „psychotischen Exazerbation“ ermöglicht. Neben ausführlichen Informationen zum aktuellen empirischen Kenntnisstand bietet das Praxisbuch auch durch Grafiken ergänzte Ausführungen verschiedener therapeutischer Ansätze mit Fallbeispielen. Insgesamt ist es eine hilfreiche Ergänzung zu bestehenden Therapiemanualen.
Betroffene beklagen immer wieder einen Mangel an Empathie und Verständnis seitens der Therapeuten während der stationären Behandlung. Kipp, Unger und Wehmeier fokussieren daher die Beziehungsgestaltung in der Arbeit mit psychotischen Patienten. Den theoretischen Hintergrund bilden dabei psychoanalytische Konzepte und der Blick auf sozialpsychiatrische Zusammenhänge. Auch wenn manche Aussagen banal erscheinen, etwa dass Zuhören wichtig für den Aufbau professioneller Therapeut-Patient-Beziehungen sei, erzeugen die Autoren mit ihrem Buch doch einen besonderen Blick. So werden die Symptombilder von schizophrenen, depressiven, manischen und schizoaffektiven Erkrankungen nicht einfach nur definitorisch dargestellt, sondern immer wieder aus der Perspektive der Beziehungsebene erläutert. Die paranoid-halluzinatorische Psychose kann z. B. als eine Reaktion mit narzisstischem Rückzug aufgrund einer Kränkung im sozialen Bezugssystem verstanden werden. Das Buch fördert das Verständnis in der psychotherapeutischen Arbeit, was besonders für Berufsanfänger einen Benefit mit sich bringt.
Seit 2001 forscht die Arbeitsgruppe der Klinischen Neuropsychologie des UKE Hamburg federführend im Bereich der kognitiven Grundlagenforschung zu Wahn und Halluzinationen. Mit dem Therapiemanual wurden zahlreiche Erkenntnisse und Publikationen der letzten Jahre gebündelt. Neben einem prägnanten Überblick über das Erkrankungsbild Schizophrenie befasst sich das Manual mit dem Zusammenhang zwischen kognitiven Verzerrungen, wie externaler Attribution oder voreiligem Schlussfolgern, und psychotischen Symptomen. Die Autoren erläutern ausführlich und sehr strukturiert das Vorgehen in definierten Therapiesektionen. Das Besondere sind dabei die vielen praktischen Materialien in auf einer beigefügten CD und in Form von 250 beigelegten Therapieblättern. Inhaltlich beschäftigen sich die Module u. a. mit Inhalten zur Perspektivübernahme oder Theory of Mind. Obwohl der Leitfaden eindeutig für die Behandlung von Psychosen entwickelt wurde, kann der fachkundige Nutzer auch einzelne Inhalte in Bezug auf andere psychische Störungen, bei denen kognitive Fehlinterpretationen vorliegen, anwenden. Insgesamt ein schön ausgearbeitetes Therapieprogramm mit zahlreichen Materialien, was dem Nutzer die Therapiegestaltung um ein Vielfaches erleichtert!
Für welche Patienten mit Psychose ist eine analytische Psychotherapie angeraten? Diese Frage wird von 9 Autoren in der 29. Ausgabe des Forums der psychoanalytischen Psychosentherapie diskutiert. Theoretische Sachverhalte werden anschaulich anhand diverser klinischer Fallvignetten erläutert. Angestrebt wird dabei nicht ein systematischer Überblick, sondern eine umfangreiche Diskussion, etwa um die Übertragung sowie weitere psychoanalytische Konzepte. Stavros Mentzos verbildlicht in seinem Beitrag anhand einer atypischen psychotischen Symptomatik das manchmal notwendige modifizierte Therapieziel der „Überflüssigmachung“ statt des Verdrängens der Psychose. Ein guter Überblick verschiedener Ansichten zur Indikation psychoanalytischer Therapie.
„Niemand ist psychotisch […] Ein Mensch kann eine psychotische Störung haben, aber das ist etwas anderes.“ Joachim Küchenhoff, Psychiater und Psychoanalytiker, fokussiert in seinem Buch die psychotische Erkrankung im interaktionellen System. Wie gestaltet sich die Beziehung zwischen psychotischen Menschen und der Gesellschaft, und welche Wirkung erzielt eine sprachlich differenzierte Auseinandersetzung mit der Symptomatik? So wird die Phänomenologie wahnhafter und schizophrener Störungen im Stil der verstehenden Psychopathologie verfasst. Der Autor widmet zudem der historischen Entwicklung psychoanalytischer Psychosetheorien viel Aufmerksamkeit, um anschließend umfassend ein psychodynamisches Faktorenmodell darzustellen. Abgerundet werden die Ausführungen durch das Kapitel „Psychotherapeutische Arbeit mit psychotischen Patienten“, in dem der Therapieverlauf eines an einer Persönlichkeitsstörung mit psychotischen Anteilen leidenden Patienten ausführlich nachgezeichnet wird. Wer an psychodynamischem Arbeiten Interesse hat, kann mit diesem Buch einiges an grundlegendem Verständnis hinzugewinnen.