Dtsch Med Wochenschr 2015; 140(17): 1296-1301
DOI: 10.1055/s-0041-102676
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© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Was ist „gutes Sterben“?

Begriffsklärung und Stand der Forschung„Good dying“ – definition and current state of research
Nico Hutter
1   Bereich Medizinische Psychologie und Medizinische Soziologie, Medizinische Fakultät der Universität Freiburg
2   Abteilung für Rehabilitationspsychologie und Psychotherapie, Institut für Psychologie, Universität Freiburg
,
Ulrich Stößel
1   Bereich Medizinische Psychologie und Medizinische Soziologie, Medizinische Fakultät der Universität Freiburg
,
Cornelia Meffert
1   Bereich Medizinische Psychologie und Medizinische Soziologie, Medizinische Fakultät der Universität Freiburg
3   Klinik für Palliativmedizin, Universitätsklinikum Freiburg
,
Mirjam Körner
1   Bereich Medizinische Psychologie und Medizinische Soziologie, Medizinische Fakultät der Universität Freiburg
,
Claudia Bozzaro
4   Institut für Ethik und Geschichte der Medizin, Universität Freiburg
,
Gerhild Becker
3   Klinik für Palliativmedizin, Universitätsklinikum Freiburg
,
Harald Baumeister
1   Bereich Medizinische Psychologie und Medizinische Soziologie, Medizinische Fakultät der Universität Freiburg
2   Abteilung für Rehabilitationspsychologie und Psychotherapie, Institut für Psychologie, Universität Freiburg
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Publikationsverlauf

Publikationsdatum:
25. August 2015 (online)

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Zusammenfassung

Die Fortschritte der modernen Medizin haben nicht nur zu einer Verlängerung der durchschnittlichen Lebenserwartung, sondern auch zu einer Verlagerung des Sterbens vom privaten in den öffentlichen Raum geführt. In den westlichen Industrienationen stirbt heute die Mehrzahl der Menschen in einem fortgeschrittenen Alter und in medizinischen Einrichtungen. Diese Tatsache wirft die Frage auf, welche Bedingungen die Gesellschaft und speziell die Medizin bereitstellen kann, um ein „gutes Sterben“ zu ermöglichen. Um diese Frage zu beantworten, ist eine Untersuchung dessen nötig, was Patienten, Angehörige sowie im Versorgungssystem tätige Berufsgruppen unter dem Begriff „gutes Sterben“ verstehen. Der vorliegende Artikel nimmt eine Begriffsklärung vor und fasst den aktuellen Stand der Forschung zum „guten Sterben“ zusammen. Dabei werden vorwiegend die in der aktuellen medizinisch-soziologischen Forschungsliteratur diskutierten Attribute „guten Sterbens“ aus Sicht von Patienten, Angehörigen und Versorgern vorgestellt. Es zeigt sich, dass sich diese Attribute in Hinblick auf drei Ebenen darstellen lassen: Lebensqualität am Ende des Lebens (z. B. Schmerzlinderung, psychisches Wohlbefinden), Qualität des Sterbeprozesses (z. B. hinausgezögertes Sterben vermeiden, Autonomie, Anwesenheit von Angehörigen) und Versorgungsqualität am Ende des Lebens (z. B. Patientenorientierung, gute Kommunikation zwischen Ärzten und Patienten, Vorhandensein von Leitlinien). Zwar sind die Attribute „guten Sterbens“ in der Literatur ausführlich beschrieben, jedoch müssen zukünftige Studien erst noch klären, welche Bedeutung und Gewichtung diesen Attributen als Prädiktoren für ein „gutes Sterben“ zukommen.

Abstract

The advances of modern medicine did not only result in prolongation of life expectancy, but also led to a shift from dying at home to dying in public institutions. In western countries most people die at advanced age in medical facilities. Hence, the question regarding the conditions, which should be provided by society and especially medicine, to allow terminally ill people to experience „good dying“ is substantial. For this purpose, an examination of patients’, family members’ and health care providers’ understanding of the term „ good dying“ is required. The present paper aims at shedding light on the term “good dying” and to summarize the current state of research. Therefore, the attributes of “good dying” will be described from the perspectives of patients, family members and health care providers, which are discussed and examined in current medical-sociological research. These attributes can be illustrated on three dimensions: Quality of life at the end of life (e. g. pain relief, mental well-being), quality of dying (e. g. avoiding prolonged dying, autonomy, presence of relatives) and quality of health care at the end of life (e. g. patient-oriented health care, positive communication between health care providers and patients, availability of guidelines). Although the attributes of “good dying” are described in detail in the existing literature, further studies have to clarify the relevance and impact of these attributes as predictors of “good dying”.