Dtsch Med Wochenschr 2015; 140(17): 1317-1318
DOI: 10.1055/s-0041-103504
Fachwissen
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© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

18-jähriger Patient mit Gewichtsverlust

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Publikationsdatum:
25. August 2015 (online)

Zu Ihnen kommt ein 18-jähriger Patient und klagt über Gewichtsverlust während der letzten Monate, eine Leistungsminderung sowie starken Durst bei gleichzeitig vermehrtem Wasserlassen. Welches ist die wichtigste Differenzialdiagnose?

Antwort Diabetes mellitus.

Kommentar Differenzialdiagnose der Polydipsie:

  • Diabetes mellitus,

  • Diabetes insipidus,

  • psychogene Polydipsie,

  • Diuretikaeinnahme.

Welches ist die wichtigste Untersuchung zum Ausschluss bzw. Nachweis des Diabetes mellitus?

Antwort Bestimmung des Nüchternblutzuckers.

Kommentar Primärdiagnostik bei V. a. Diabetes mellitus:

  • Bestimmung des Nüchternblutzuckers,

  • Bestimmung des Nichtnüchternblutzuckers,

  • Bestimmung des Blutzuckers nach oraler Glukosebelastung.

Regel Wichtigste Untersuchung bei Verdacht auf Diabetes mellitus: Nüchtern-Blutzucker.

Sie bestimmen bei dem Patienten an zwei verschiedenen Tagen einen Nüchternblutzucker von 140 bzw. 152 mg / dl. Was liegt vor?

Antwort Ein Diabetes mellitus.

Kommentar Blutzuckerbestimmung aus Plasma oder Serum bei V. a. Diabetes mellitus (Angaben in mg/dl):

  • < 110 mg/dl: kein Diabetes,

  • 110–125 mg / dl: erhöhter Nüchternblutzucker,

  • > 125 mg / dl: Diabetes mellitus.

Welche Ursachen für eine Hyperglykämie kennen Sie überhaupt?

Antwort Neben dem Diabetes mellitus können die meisten Pankreaserkrankungen zu einer Hyperglykämie führen, außerdem andere endokrinologische Erkrankungen, insbesondere das Cushing-Syndrom, aber auch die Hyperthyreose. In der Schwangerschaft sieht man erhöhte Blutzuckerwerte und auch Medikamente können den Blutzucker erhöhen

Kommentar Differenzialdiagnose der Hyperglykämie:

Diabetes mellitus:

  • Typ-1-Diabetes,

  • Typ-2-Diabetes,

Erkrankungen des Pankreas:

  • akute und chronische Pankreatitis,

  • Hämochromatose,

  • Mukoviszidose,

  • Pankreaskarzinom,

  • Z. n. Pankreatektomie,

Erkrankungen der endokrinen Drüsen:

  • Cushing-Syndrom,

  • Hyperthyreose,

  • Phäochromozytom,

  • Akromegalie,

  • Glukagonom,

Medikamente:

  • Glukokortikoide,

  • Thiaziddiuretika,

  • Betablocker,

  • Pentamidin,

Schwangerschaft, seltene Ursachen:

  • Insulinrezeptordefekte,

  • Infektionen.

Was verstehen Sie unter Nüchternblutzucker?

Antwort Blutzucker nach einer Fastenzeit von 8 Stunden.

Kommentar Die Blutzuckerentnahme zur Bestätigung des Diabetes mellitus muss unter definierten Bedingungen erfolgen: Fastenperiode von mindestens 8 Stunden.

Können Sie einen Diabetes mellitus auch diagnostizieren ohne diese standardisierten Bedingungen?

Antwort Ja, bei Messung eines Blutzuckers im Plasma oder Serum > 200 mg / dl im Tagesverlauf.

Kommentar WHO-Kriterien für die Diabetesdiagnose (Angaben in mg/dl und in Klammern mmol / l):

  • Nüchternglukose > 125 (> 7,0) an 2 verschiedenen Tagen, oder

  • Nichtnüchternglukose > 200 (> 11,1) an 2 verschiedenen Tagen, oder

  • Glukose > 200 (> 11,1) 2 h nach oraler Glukosebelastung mit 75 g Glukose.

Welche Bedeutung hat die Urinzuckerbestimmung beim Diabetes mellitus?

Antwort Keine große.

Kommentar Urinzuckerbestimmung:

  • ungeeignet für Diabetes-Screening,

  • ungeeignet für Therapiekontrolle.

Regel Glukosebestimmung im Urin: Ungeeignete Untersuchung.

Wir haben jetzt drei verschiedene Möglichkeiten erwähnt, einen Diabetes mellitus zu diagnostizieren. Welchen Vorteil hat denn der Glukosetoleranztest gegenüber der Bestimmung des Nüchternblutzuckers im Hinblick auf die Diagnosestellung eines Diabetes mellitus?

Antwort Keinen entscheidenden. Für die Diagnose reicht die wiederholte Bestimmung des Nüchternblutzuckers aus.

Kommentar In den Empfehlungen der amerikanischen Diabetesgesellschaft wird der Bestimmung der Nüchternplasmaglukose (FPG, fasting plasma glucose) der Vorzug gegeben. In Deutschland wird der orale Glukosetoleranztest (OGTT) empfohlen, dem 2-Stunden-Wert wird im Vergleich zur Nüchternglukose eine bessere prognostische Voraussagekraft im Hinblick auf ein gesteigertes Mortalitätsrisiko zugeschrieben.

Sie haben bei einem Patienten zweimal einen Nüchternblutzucker von 160 mg/dl gemessen. Jetzt möchten Sie zur Sicherung der Diagnose einen oralen Glukosetoleranztest durchführen. Wie gehen Sie vor?

Antwort Ich führe keinen oralen Glukosetoleranztest durch.

Kommentar Dies ist eine Fangfrage. Bei bereits eindeutigen Nüchternblutzuckerwerten ist der OGTT kontraindiziert!

Sie haben bei einem Patienten mehrfach erhöhte Nüchternblutzuckerwerte um 120 mg / dl gemessen und möchten jetzt einen OGTT durchführen. Wie gehen Sie vor?

Antwort Mehrere Tage vor dem Test ausreichend kohlenhydratreiche Ernährung, dann 12-stündiges Fasten. Bestimmung der Nüchternglukose, Einnahme von 75 g Glukose p. o. und Blutzuckerbestimmung 120 min später.

Kommentar Durchführung eines OGTT:

  1. drei Tage vor dem Test: kohlenhydratreiche Ernährung (200 g Kohlenhydrate / d),

  2. vor der Untersuchung: 12-stündiges Fasten,

  3. am Morgen des Untersuchungstages: Bestimmung der Nüchternblutglukose,

  4. danach Einnahme von 75 g Glukose in 300 ml Flüssigkeit p. o. innerhalb von 5 Minuten,

  5. keine körperliche Betätigung, sitzen, nicht rauchen,

  6. Bestimmung der Blutglukose nach 2 h.

Worin sehen Sie eigentlich die Hauptindikation für die Durchführung des oralen Glukosetoleranztests?

Antwort Nicht eindeutige Ergebnisse der Nüchternglukose und Diskrepanz zwischen erhöhter Nüchternglukose und HbA1c-Wert.

Kommentar Mögliche Indikationen zur Durchführung eines OGTT:

  • grenzwertige Blutzuckerbestimmungen: bei wiederholten Messungen im Grenzbereich zwischen 110 und 125 mg / dl oder knapp darüber,

  • Diskrepanz zwischen normalem HbA1c-Wert und Blutzuckerwert zwischen oberem Normbereich und Grenze zum pathologischen Bereich: HbA1c < 6,5 %, Nüchternblutzucker 110–125 mg / dl.

Welche Faktoren können die Aussagekraft des OGTT stören?

Antwort Nichteinhalten der geforderten Nahrungsaufnahme und anschließenden Fastenperiode vor Durchführung, zusätzliche Erkrankungen, Medikamenteneinnahme sowie Menstruation.

Kommentar Störfaktoren beim OGTT, die zu erhöhtem Blutzucker führen:

  • ungenügendes Fasten,

  • zusätzliche Erkrankungen: fieberhafte Erkrankung, schwere andere Erkrankungen, Bettlägerigkeit,

  • Medikamenteneinnahme: Diuretika, Steroide, Östrogene u. a.,

  • Menstruation.

Sie messen bei einem Patienten im Glukosetoleranztest einen 2-Stunden-Wert von 170 mg / dl. Was liegt vor?

Antwort Eine pathologische Glukosetoleranz.

Kommentar Pathologische Glukosetoleranz (IGT, impaired glucose tolerance):

2-Stunden-Wert im OGTT:

  • 140 – 200 mg / dl,

Bedeutung:

  • 75 % der Betroffenen entwickeln keinen Diabetes mellitus,

  • 25 % entwickeln einen Diabetes mellitus.

Wie ist eigentlich der Diabetes mellitus definiert?

Antwort Eine Stoffwechselerkrankung, die charakterisiert ist durch eine anhaltende Hyperglykämie mit assoziierten oder daraus folgenden Organschäden.

Kommentar Definition und Charakteristik des Diabetes mellitus:

  • chronische Hyperglykämie, bedingt durch eine Störung der Insulinsekretion oder der Insulinwirkung,

  • daraus resultierende Organschäden, insbesondere an Blutgefäßen, Augen, Niere, Nerven, Herz.

Welche Formen des Diabetes mellitus unterscheiden Sie?

Antwort Den Typ-1-Diabetes, bei dem eine Betazelldestruktion zum absoluten Insulinmangel führt und den Typ-2-Diabetes, bei dem überwiegend eine Insulinresistenz mit relativem Insulinmangel vorliegt, jedoch auch ein sekretorischer Defekt mit Insulinresistenz bestehen kann.

Kommentar Klassifikation des Diabetes mellitus nach WHO und ADA (American Diabetes Association):

  1. Typ-1-Diabetes:

    • immunologisch bedingt,

    • idiopathisch,

  2. Typ-2-Diabetes,

  3. andere spezifische Typen:

    • genetischer Defekt der Betazellfunktion,

    • genetischer Defekt der Insulinwirkung,

    • Krankheiten des exokrinen Pankreas, z. B. chronische Pankreatitis, Neoplasie, Hämochromatose,

    • Endokrinopathien, z. B. Akromegalie, Cushing-Syndrom, Phäochromozytom,

    • medikamentös induziert,

    • Infektionen, z. B. CMV, kongenitale Rötelninfektion,

    • seltene immunologisch bedingte Diabetesformen,

    • seltene genetische Syndrome,

  4. Gestationsdiabetes.

Nachdruck aus:
Berthold Block, Facharztprüfung Innere Medizin, 3000 kommentierte Prüfungsfragen
4. Aufl., kompl. überarb. akt. 2011, 576 S., 106 Abb., kart. ISBN: 9783131359544