PPH 2015; 21(05): 261
DOI: 10.1055/s-0041-103967
Rezensionen
Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Die Entdeckung der Achtsamkeit in der Arbeit mit psychisch erkrankten Menschen

Rezensent(en):
Christoph Müller
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Publikationsverlauf

Publikationsdatum:
22. September 2015 (online)

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(Foto: Psychiatrie Verlag)

Einen ganz anderen Auftrag hat das Buch „Die Entdeckung der Achtsamkeit“. Das von Andreas Knuf und Matthias Hammer herausgegebene Buch klopft in Gemeinschaft mit den Autorinnen und Autoren die Relevanz der Achtsamkeit für die Begleitung mit psychisch erkrankten Menschen ab. Sie schauen auf die „achtsame Haltung psychiatrisch Tätiger“. Sie schreiben über die „achtsamkeitsorientierte Arbeit mit Sinnesreizen, Gedanken und Gefühlen“. Sie denken über die „Achtsamkeitsorientierung bei Psychosen“ nach.

Entscheidend ist, dass nach den Möglichkeiten der Achtsamkeitsarbeit in der psychiatrischen Praxis geschaut wird. Dabei vermeiden es Knuf und Hammer nicht, den Sinn der Achtsamkeit in der Gegenwart zu betonen. In einem Interview mit Uwe Britten schreiben sie: „Achtsamkeit ist eine Gegenbewegung gegen die herrschende Beschleunigung und Hektik in unserer Gesellschaft und gegen Achtlosigkeit. Achtsamkeit wird geradezu zu einer gesamtgesellschaftlichen Bewegung“. Sie unterstreichen, dass es bei der Nutzung von Achtsamkeitsübungen darum geht, von sich selber auszugehen, um dann auf sein Gegenüber zu blicken und dem Gegenüber die Übungen nahezubringen.

Aufhorchen lässt, was Hammer und Knuf unter dem Leitprinzip „Erfahrungsorientierung statt Erfahrungsvermeidung“ andeuten. Wer kennt nicht, was die beiden Professionellen zusammenfassen: „Vielen Klientinnen und Klienten fällt es schwer, ihr inneres Erleben zu tolerieren und bewusst und offen zu erleben. Sie entwickeln Strategien, um das Erleben zu unterdrücken oder zu vermeiden […]. Eine andere Strategie bestünde darin, sich den Ängsten akzeptierend und empathisch zuzuwenden, mit ihnen sozusagen ins Gespräch zu kommen, sodass diese genau sagen können, was die Inhalte sind, um dann mit den Ängsten in die sozialen Situationen zu gehen und zu überprüfen, ob das Befürchtete tatsächlich eintritt […]“.

Die leisen Töne sind es, die es während der Lektüre aufzuspüren gilt. Es gilt, die Erfahrungen anderer psychiatrisch Tätiger, vor allem aber die Erfahrungen der psychisch angeschlagenen Menschen aufzuspüren.

Achtsamkeit ist als ständige Aufgabe für psychiatrisch Tätige zu verstehen: „Zusammenfassend lässt sich also sagen, dass Achtsamkeit verschiedene erwünschte professionelle Fähigkeiten fördert. Das ist auch deshalb besonders interessant, weil Fähigkeiten wie Empathie und Mitgefühl eben nicht theoretisch vermittelt werden können. Mit der Achtsamkeitspraxis scheint nun ein Zugang zur Verfügung zu stehen, wie professionell Tätige solche Fähigkeiten kultivieren können“.

Christoph Müller