Zusammenfassung
Anamnese und Beschwerden | Eine 53-jährige Patientin mit rezidivierenden polyarthralgischen Beschwerden stellte
sich nach einer ergebnislos verlaufenen rheumatologischen Abklärung wegen einer auf
einen nicht messbaren Wert erniedrigten Harnsäurekonzentration im Serum unter dem
Verdacht auf eine IgM-Paraproteinämie vor.
Untersuchungen | Körperlicher Befund, Abdomensonographie und laborchemische Routineuntersuchungen
waren unauffällig. Die Wiederholung der Bestimmung der Harnsäurekonzentration im Serum
ergab einen stark erniedrigten Wert. Die Konzentrationen von Xanthin und Hypoxanthin
im Urin waren 14-fach bzw. 7,5-fach erhöht. Die fraktionelle Harnsäureausscheidung
war nicht erhöht. Der Allopurinol-Belastungstest war normal. Die Sequenzierung des
Xanthin-Dehydrogenase (XDH) Gens zeigte in Exon 8 die pathogene Deletion c.641delC
in homozygotem Zustand. In der Segregationsanalyse wurde bei der Mutter und den zwei
Söhnen der Patientin die Mutation c.641delC in heterozygotem Zustand nachgewiesen.
Eine Halbschwester und ein Halbbruder des verstorbenen Vaters waren keine Anlageträger.
Für eine Konsanguinität der Eltern fand sich kein Anhalt. Aufgrund dieser Untersuchungsergebnisse
wurde bei der Patientin die Diagnose einer Xanthinurie Typ 1 infolge einer nicht verwandtschaftsbedingten
erstmals dokumentierten Homozygotie für die in der Literatur berichtete Mutation c.641delC
gestellt.
Therapie und Verlauf | Der Patientin wurde geraten, zusätzlich zu der von ihr bereits auf 2,5 l gesteigerten
täglichen Trinkmenge auf eine purinarme Kost zu achten. Sie ist seither beschwerdefrei
geblieben.
Folgerung | Stark erniedrigte Harnsäurekonzentrationen im Serum sind ein Kennzeichen der Xanthinurie
und der hereditären renalen Hypourikämie und sollten bei fehlenden Hinweisen auf einen
fortgeschrittenen Leberschaden oder eine unerwünschte Arzneimittelwirkung den Verdacht
auf eine dieser Erkrankungen lenken. Die differentialdiagnostische Klärung sollte
danach gezielt erfolgen und nur im Fall nicht eindeutiger Untersuchungsergebnisse
eine Fehlbestimmung der Harnsäure infolge einer IgM-Paraproteinämie in Erwägung gezogen
werden. Die molekulargenetische Charakterisierung und Segregationsanalyse ermöglichen
letztendlich die exakte Klärung des zugrunde liegenden Genotyps.
Abstract
History and clinical presentation | A 53-year old woman with recurrent polyarthralgias, negative test results in a recent
rheumatologic work-up and an unmeasurably low uric acid serum concentration presented
for suspected IgM paraproteinemia.
Investigations | Physical examination, abdominal ultrasound and routine laboratory test results were
unremarkable. Repeat determination confirmed a markedly decreased uric acid (UA) serum
concentration. Urinary xanthine and hypoxanthine concentrations were increased by
14-fold and 7.5-fold, respectively. Fractional urinary UA excretion was not increased
and the allopurinol loading test was normal. Sequencing of the xanthine dehydrogenase
(XDH) gene revealed the pathogenic deletion c.641delC in the homozygous state. Segregation
analysis showed that the patient’s mother and her two adult sons were carriers of
the mutation but not a half-sister and a half-brother of her deceased father. There
was no evidence of parental consanguinity. These results established xanthinuria type
1 as the cause of the patient’s recurrent polyarthralgias due to a previously unreported
homozygosity for the known mutation c.641delC of the XDH gene.
Treatment and course | The patient was advised to adhere to a low-purine diet and to ensure an increased
daily fluid-intake of at least 2.5 l. She has since remained symptom free.
Conclusion | Markedly lowered serum uric acid concentrations are a hallmark of xanthinuria and
of hereditary renal hypouricemia, and in the absence of severe hepatic failure or
evidence of an untoward drug effect should raise suspicion of these diseases. A targeted
diagnostic work-up should then be initiated and factitious hypouricemia due to IgM
paraproteinemia considered only in the case of equivocal test results. Molecular-genetic
characterization and segregation analysis will ultimately establish the underlying
genotype.
Schlüsselwörter Xanthinurie Typ 1 - Pseudohypourikämie - Gen-Sequenzierung - quantitative Echtzeit-PCR
- homozygote Mutation
Keywords Xanthinuria type 1 - factitious hypouricemia - gene-sequencing - quantitative RT-PCR
- homozygous mutation