Aktuelle Urol 2016; 47(01): 54-59
DOI: 10.1055/s-0041-106184
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© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Urosepsis beim geriatrischen Patienten

Urosepsis in Geriatric Patients
H. J. Heppner
1   Klinik für Geriatrie HELIOS Klinikum Schwelm
2   Lehrstuhl für Geriatrie der Universität Witten/Herdecke
,
F. Yapan
1   Klinik für Geriatrie HELIOS Klinikum Schwelm
2   Lehrstuhl für Geriatrie der Universität Witten/Herdecke
,
A. Wiedemann
2   Lehrstuhl für Geriatrie der Universität Witten/Herdecke
3   Urologische Abteilung, Evangelisches Krankenhaus im Diakoniewerk Ruhr gGmbH Witten
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Publication Date:
25 February 2016 (online)

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Zusammenfassung

Die demografische Entwicklung führt zu einem Anstieg des Anteils alter Patienten in den Krankenhäusern aller Versorgungsstufen. Dies stellt besondere Herausforderungen an die medizinische Versorgung und das Management dieser Patienten.

Durch Immunseneszenz und Multimorbidität sind sie besonders anfällig für Infektionskrankheiten. Infektionen der ableitenden Harnwege reichen von der „einfachen“ Zystitis über eine Pyelonephritis bis hin zur lebensbedrohlichen Urosepsis und sind mit rund 25% die zweithäufigste Infektionsform bei geriatrischen Patienten. Die Diagnosestellung ist oftmals schwierig da nicht immer typische Symptome auftreten. Die Urosepsis, eine hyperaktive und unkontrollierte Immunreaktion des Organismus aufgrund einer exogenen Schädigung basiert auf einer bakteriellen Infektion des Urogenitaltraktes. Begünstigende Risikokonstellationen sind Harnabflussstörungen, immunsuppressive Medikation, Diabetes mellitus, maligne Tumoren sowie Nieren- oder Prostataprozesse. Bei der komplizierten Urosepsis liegt zusätzlich eine strukturelle oder funktionelle Abnormität im Urogenitaltrakt vor, einschließlich Ureterobstruktionen. Als Risikofaktoren sind Harninkontinenz, Blasendauerkatheter, eine Hydronphrose oder Uretersteine anzusehen. Diabetes mellitus Patienten haben ein höheres Risiko eine Urosepsis zu erleiden. Bei der Diagnostik ist zu beachten, dass beim alten Patienten ist zu berücksichtigen, dass die klassischen Symptome aufgrund der Multimorbidität überlagert sein können oder die septische Enzephalopathie mit der akuten Verwirrtheit (Delir) möglicherweise das einzige Symptom ist. Die Körpergrundtemperatur ist beim alten Patienten niedriger und steigt bei einer Infektion nicht zwangsläufig auf 38°Celsius oder mehr an. Bei Patienten über 75 Jahre mit dem Verdacht auf eine Sepsis ist schon bei einer erhöhten Temperatur von 37,4°Celcius von Fieber auszugehen. Die wesentliche Therapie der Urosepsis beruht auf der Fokus-Sanierung, der antimikrobiellen Therapie, der Kreislaufstabilisierung und dem Ersatz ausgefallener Organfunktionen. Für die initiale empirische antimikrobielle Therapie kommen, in Abhängigkeit von der örtlichen Resistenzlage, Acylaminopenicilline mit Beta-Lactamase-Inhibitor Aktivität (z. B. Piperacillin/Combactam oder Tazobactam oder Cephalosporine der Gruppe 3 (z. B. Cefotaxim) zum Einsatz. Alternativ bei Unverträglichkeit Fluorchinolone mit hoher Urinausscheidung oder ein Carbapenem. Auch multiresistente Erreger (MRE) haben für die Urosepsis eine Bedeutung und erfordern eine initiale adäquate antimikrobielle Therapie.

Geriatrische Patienten sind durch ihre Multimorbidität besonders gefährdet schwere Verläufe bei Infektionserkrankungen zu erleiden. Durch die frühzeitige Identifikation der Patienten die ein hohes Risiko haben eine Urosepsis zu entwickeln und mit fachkompetenter Begleitung der Patienten auf der Intensivstation kann der Geriater den intensivmedizinisch tätigen Kollegen unterstützen.

Die frühzeitige geriatrische Akutrehabilitation kann den intensivmedizinischen Behandlungserfolg nachhaltig sichern. Dies erfordert von allen Beteiligten den interdisziplinären und interprofessionellen Dialog.

Abstract

Due to the demographic shift, increasing numbers of geriatric patients are admitted to acute care hospitals of all levels of care. This means that special challenges must be met in the medical care and management of these patients.

Immunosenescence and multimorbidity make elderly patients vulnerable to infectious diseases. Urinary tract infections range from “simple” cystitis to pyelonephritis and urosepsis and, at 25%, are the second most common form of infection in geriatric patients. It is often difficult to make a diagnosis because typical symptoms do not always occur. Urosepsis, a hyperactive and uncontrolled immune response of the organism due to exogenous damage, is based on bacterial infection of the urogenital tract. Urinary retention, immunosuppressive medication, malignancy, diabetes mellitus and renal or prostatic processes promote the risk for urosepsis. Complicated urosepsis additionally comprises a structural or functional abnormality, including ureteral obstruction. Risk factors for urosepsis are urinary incontinence, an indwelling urinary catheter, hydronephrosis or ureteral calculi. Patients suffering from diabetes mellitus are also at a higher risk for urosepsis. When diagnosing elderly patients, one has to consider that the classic symptoms can be masked by multimorbidity, or septic encephalopathy and acute confusion (delirium) may be the only symptoms. Body temperature is lower in elderly patients and does not necessarily rise to 38°C or more in the acute phase. In patients older than 75 years who are suspicious for sepsis, temperatures as low as 37.4°C should be rated as fever. Treatment of urosepsis basically includes clearing the focus, antimicrobial treatment, stabilisation of circulation and replacement of failed organ functions. Initial empiric antibiotic treatment, depending on local resistance, should be done with acylaminopenicilline and beta-lactamase inhibitors (e. g. piperacillin/combactam or tazobactam or group 3 cephalosporins (e. g. cefotaxim). In case of intolerance, fluoroquinolone with high urinary excretion or carbapenem can be used. Also multidrug resistant germs are of importance for urosepsis and require appropriate initial antibiotic treatment.

The multimorbidity of geriatric patients puts them at risk for a severe course of infectious diseases. Early identification of high-risk patients and geriatric expert monitoring in intensive care units may assist intensive care physicians. Treatment success in intensive care can be maintained by early geriatric acute rehabilitation. This requires all those involved to enter into an interdisciplinary and interprofessional dialogue.