Anästhesiol Intensivmed Notfallmed Schmerzther 2016; 51(05): 308-315
DOI: 10.1055/s-0041-107265
Fachwissen
Intensivmedizin
© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Hypernatriämie – Diagnostik und Therapie

Hypernatremia – Diagnostics and therapy
Christian Arndt
,
Hinnerk Wulf
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Publication Date:
23 May 2016 (online)

Zusammenfassung

Bei der Hypernatriämie handelt es sich um eine häufige Elektrolytstörung, die ein Ungleichgewicht im Wasserhaushalt des Körpers reflektiert und häufig aus einem im Vergleich zur Natriumausscheidung erhöhten Verlust freien Wassers resultiert. Nur selten liegt ihr eine übermäßige Natriumaufnahme zugrunde. Das klinische Bild ist oft von einer Vigilanzstörung und einem (bei wachen Patienten) ausgeprägten Durstgefühl gekennzeichnet. Neben der Anamnese sind bei der Differentialdiagnose der Volumenstatus des Patienten und die Osmolalität des Urins wegweisend. In der Regel besteht die Behandlung der Hypernatriämie neben der Therapie der zugrundeliegenden Ursache im Ausgleich des (absoluten oder relativen) Wasserdefizits durch hypotone Infusionslösungen, im Fall eines zentralen Diabetes insipidus in der Applikation von Desmopressin (Minirin). Da zu schnelle Änderungen der Serumnatriumkonzentration desaströse Folgen haben können (osmotisches Demyelinisationssyndrom), sollte bei länger (>48h) bestehenden Hypernatriämien die Natriumkonzentration um nicht mehr als 8-10 mmol/l/Tag gesenkt werden. Wichtig sind dabei engmaschige laborchemische Kontrollen. Für akute Hypernatriämien (<24h) steht mit der Hämodialyse ein effektives Verfahren zur raschen Normalisierung der Serumnatriumwerte zur Verfügung, was jedoch auch zum Beginn einer Nierenersatztherapie bei Patienten mit einer chronischen Hypernatriämie beachtet werden muss um einen zu schnellen Abfall der Natriumwerte bei diesen Patienten zu vermeiden.

Abstract

Hypernatremia is a common electrolyte disorder that reflects an imbalance in the water balance of the body, often resulting from an increased loss of free water compared to sodium excretion. It is rarely based on excessive sodium intake. The clinical presentation is often characterized by a central nervous system dysfunction (confusion, coma) and pronounced thirst (in awake patients). In addition to medical history, the volume status of the patient and the osmolality of urine are leading in the differential diagnosis. Usually, the treatment of hypernatremia - in addition to addressing the underlying cause - is replacing the (absolute or relative) loss of free water by hypotonic infusions, or in case of diabetes insipidus, by application of Desmopressin (Minirin). As rapid changes in serum sodium concentration may have deleterious consequences (osmotic demyelinsiation syndrome), preexisting hypernatremia (>48h) should not be reduced by more than 8-10 mmol/l/day. Close laboratory controls are important. For acute hypernatremia (< 24 hours), hemodialysis is an effective option to rapidly normalize the serum sodium levels. To avoid a rapid drop in sodium concentration that must also be considered when starting a renal replacement therapy in patients with chronic hypernatremia.

Kernaussagen

  • Eine Hypernatriämie reflektiert ein Ungleichgewicht im Wasserhaushalt des Körpers, häufig bedingt durch einen im Vergleich zur Natriumausscheidung erhöhten Verlust freien Wassers.

  • Vermehrte Natriumaufnahme ist eine seltenere Ursache der Hypernatriämie.

  • Wesentliche Organe zur Regulation der Serum-Natrium-Konzentration sind die Nieren und das Gehirn.

  • Häufigstes klinisches Symptom der Hypernatriämie ist eine verminderte Vigilanz und Durst.

  • Risikopatienten für die Entwicklung einer Hypernatriämie sind sehr alte, sehr junge und Intensivpatienten, da bei diesen Gruppen die selbständige Flüssigkeitsaufnahme häufig eingeschränkt ist.

  • Schneller Anstieg der Serum-Natrium-Konzentration kann zu intrazerebralen Blutungen und einem osmotischen Demyelinisierungs-Syndrom (pontine Myelinolyse) führen.

  • Zu schneller Ausgleich einer Hypernatriämie kann ebenfalls zu einem osmotischen Demyelinisierungs-Syndrom oder einem Hirnödem führen.

  • Bei chronischer Hypernatriämie sollte die Serum-Natrium-Konzentration nicht mehr als 8–10 mmol/l/Tag gesenkt werden.

  • Die Therapie der zugrundeliegenden Ursache hat neben der symptomatischen Behandlung den höchsten Stellenwert bei der Behandlung der Hypernatriämie.

  • Wichtiger als die Auswahl der richtigen Formel zur Berechnung des Flüssigkeitsdefizits ist die engmaschige Kontrolle der Serum-Natrium-Konzentration zur Überwachung und Anpassung der Therapie.

Ergänzendes Material