Frauenheilkunde up2date 2015; 9(06): 380-385
DOI: 10.1055/s-0041-107349
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Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Die J1-Untersuchung – Fakten und praktisches Vorgehen

Burkhard Ruppert
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Publication Date:
22 December 2015 (online)

Die J1-Untersuchung – was passiert da? In der Online-Ausgabe der Jugendzeitschrift „Bravo“ vom 05. 06. 2012 wird eben genau diese Frage gestellt [1]. Warum also zum Arzt gehen, wenn man sich gar nicht krank fühlt? Muss ich dahin und kann ich auch ohne meine Eltern mit dem Arzt sprechen? Und was erfahren meine Eltern dann anschließend über mich? Wie weit muss ich mich ausziehen? Dies sind genau die Fragen, die nie von Jugendlichen offen gestellt werden. Aber ihre unaufgeforderte Beantwortung durch das Praxisteam sorgt von der ersten Sekunde an für ein offenes und vertrauensvolles Verhältnis zu vielen, eher verschlossen und abweisend wirkenden jugendlichen Patienten. Wichtig für Jugendliche ist auch, dass es sich bei der J1 um eine „Gesundheitsuntersuchung“ handelt; der Begriff „Vorsorgeuntersuchung“ klingt doch für die meisten abschreckend, zu medizinisch und zu krankheitsorientiert bzw. „sorgenvoll“. Und das verbindet wohl kein Jugendlicher gerne mit seinem omnipotenten Grundgefühl von absoluter Gesundheit und gleichzeitiger massiver Angst vor unbekannten Krankheitsgefahren.

Jugendliche sind es nicht gewohnt zum Arzt zu gehen. Ein Jugendlicher geht i. d. R. nur dann zum Arzt, wenn ein Leidensdruck besteht und er sucht sich dann den Arzt aus, bei dem er zu diesem einen speziellen Thema Kompetenz vermutet. Konkret heißt dies, man geht mit den Pickeln zum Hautarzt, mit den Kopfschmerzen zum Neurologen usw. Durch dieses „organbezogene“ Verhalten fällt es oft schwer, im Bereich der psychosomatischen Erkrankungen Zusammenhänge zu erkennen. Genau darin liegt dann die besondere Chance der J1, die gerade nicht krankheitsbezogen stattfindet.

Jugendmedizin – und damit auch die J1 – umfasst ein großes Spektrum von Indikationsstellungen, wie z. B. Schilddrüsenerkrankungen, Skoliosen, Allergien, Adipositas, Hauterkrankungen, Diabetes mellitus und Asthma bronchiale. Aber sie erfasst auch Krisen in der Adoleszenz. Dazu gehören z. B.:

  • Suizidalität

  • Selbstverletzungen

  • Essstörungen

  • Ängste

  • Panik

  • Zwänge

  • Drogen

  • Computer/Internet-Suchtprobleme

  • Schulversagen

  • Konzentrationsstörungen

  • Unfälle

  • Gewalt

  • Kriminalität

Die Früherkennung von solchen Entwicklungsstörungen im Jugendalter ist ein wichtiger Versorgungsauftrag. Insgesamt wurden in einer KiGGS-Folgebefragung von ca. 20 % der befragten Eltern von 14–17-jährigen Jugendlichen chronische Krankheiten angegeben [2]. Hinzu kommen noch deutlich schlechter werdende Durchimpfungsquoten als in der Kindheit. Gerade Impfungen, wie z. B. gegen das HP-Virus, gegen Meningokokken und gegen Pertussis, zeigen trotz großer Bemühungen seit Jahren unbefriedigende Impfquoten in dieser Altersgruppe [3].