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DOI: 10.1055/s-0041-108210
Jetzt doch: Mehrere ständige ärztliche Vertreter zulässig OLG stärkt die Rechte der privatliquidationsberechtigten Chefärzte
Publikationsverlauf
Publikationsdatum:
08. April 2016 (online)
Bei der Abrechnung privatärztlicher Leistungen im Krankenhaus bewegen sich Chefärzte auf dünnem Eis. Fehler in der Wahlleistungsvereinbarung können nicht nur ihre Unwirksamkeit und den finanziellen Verlust des Vergütungsanspruchs zur Folge haben, sondern sogar zur Strafbarkeit wegen (gewerbsmäßigen) Abrechnungsbetrugs führen. Die Zivil- und Strafgerichte haben in jüngster Zeit zunehmend die Vertreterregelungen in den Wahlarztvereinbarungen genauer unter die Lupe genommen. Die zum Teil folgenreichen Konsequenzen einer für unwirksam eingestuften Vertreterregelung wurden besonders am Beispiel eines im Jahr 2013 vor dem Landgericht Aschaffenburg geführten Strafverfahrens (Beschluss vom 29. Oktober 2013–104 Js 13948/07) deutlich. Angeklagt war der Chefarzt einer gynäkologischen Klinik, dem gewerbsmäßiger Abrechnungsbetrug im Zusammenhang mit der Durchführung und Abrechnung privatärztlicher Leistungen vorgeworfen wurde. Das Gericht vertrat die Auffassung, dass die Wahlleistungsvereinbarungen, in denen 6 Oberärzte als ständige ärztliche Vertreter angegeben waren, rechtswidrig seien. Zulässig sei die Angabe nur eines ständigen ärztlichen Vertreters im Sinne des §+4 Abs. 2 Satz 3 GOÄ. Auf dringendes Anraten des Gerichts erklärte sich der angeklagte Chefarzt notgedrungen damit einverstanden, einen Betrag in Höhe von 150 000 – € an eine gemeinnützige Einrichtung zu zahlen, damit das gegen ihn eingeleitete Strafverfahren ohne weitere Folgen eingestellt wurde.
Die seit jeher strittige Frage nach der zulässigen Anzahl der ständigen ärztlichen Vertreter im Sinne des §+4 Abs. 2 Satz 3 GOÄ hat nun das Oberlandesgericht (OLG) Celle mit Urteil vom 15.06.2015–1 U 97/14 – eindeutig beantwortet: Die GOÄ setze nicht voraus, dass jeder Chefarzt nur einen einzigen ständigen ärztlichen Vertreter haben dürfe. Es sei vielmehr zulässig, dass die Wahlleistungsvereinbarung für verschiedene Arbeitsbereiche einer klinischen Abteilung jeweils einen ständigen ärztlichen Vertreter des liquidationsberechtigten Chefarztes bestimme.
In dem zugrundeliegenden Fall war die klagende Patientin in der Klinik für psychosomatische Medizin aufgrund einer abgeschlossenen Wahlleistungsvereinbarung stationär behandelt worden. In der Wahlleistungsvereinbarung waren als ständige ärztliche Vertreter der Chefärztin 2 Oberärzte benannt. Die Patientin hatte die Rechnung der Chefärztin über die stationären privatärztlichen Leistungen zunächst anstandslos bezahlt und verklagte den Krankenhausträger später auf Rückerstattung der Behandlungskosten, weil ihrer Ansicht nach die wahlärztlichen Leistungen nicht von der Chefärztin persönlich erbracht worden waren.
Die von der Patientin erhobene Klage auf Rückzahlung der Behandlungskosten hatte allerdings keinen Erfolg (LG Hannover – Urteil vom 11.11.2014–19 O 164/12). Auch das OLG Celle bestätigte das Urteil des LG Hannover aus der ersten Instanz. Die Wahlleistungsvereinbarung genüge den vom Bundesgerichtshof im Urteil vom 20.12.2007 – III ZR 1544/07 – gestellten Anforderungen und enthalte insbesondere eine wirksame Vertreterregelung. Danach sei eine Klausel zulässig, in der die Einschaltung eines Vertreters des Wahlarztes auf die Fälle beschränkt sei, in denen dessen Verhinderung im Zeitpunkt des Abschlusses der Wahlleistungsvereinbarung nicht bereits feststehe (sog. unvorhersehbare Verhinderung). Ferner sei es erforderlich, dass als Vertreter der namentlich benannte ständige ärztliche Vertreter im Sinne der §§+4 Abs. 2, 5 Abs. 5 GOÄ bestimmt und tätig geworden sei. Dass im vorliegenden Fall 2 Oberärzte als ständige ärztliche Vertreter der Chefärztin benannt worden seien, stehe der Wirksamkeit der Vereinbarung nicht entgegen. Die GOÄ setze nicht voraus – so das OLG –, dass jeder Chefarzt nur einen einzigen ständigen ärztlichen Vertreter haben dürfe. Es sei vielmehr zulässig, dass die Klinik für verschiedene Arbeitsbereiche jeweils einen anderen ständigen ärztlichen Vertreter bestimme. Die in Streit stehende Wahlleistungsvereinbarung sei so auszulegen, dass die benannten Oberärzte 2 verschiedene Zuständigkeitsbereiche der Chefärztin vertreten. Jeder der beiden Oberärzte vertrete die Chefärztin in der Leitung der Station, für die er zuständig sei. Aufgrund der wirksamen Wahlleistungsvereinbarung könne die Klinik neben den persönlich von der Chefärztin erbrachten Leistungen auch die weiteren erbrachten Leistungen abrechnen, da diese Leistungen als Bestandteil einer von der Chefärztin persönlich geprägten wahlärztlichen Behandlung der Patientin anzusehen seien.
In diesem Zusammenhang legte das OLG noch einmal den Umfang der Pflicht zur persönlichen Leistungserbringung des Wahlarztes dar. Grundsätzlich habe bei der Vereinbarung einer sog. Chefarztbehandlung der Chefarzt die Leistung selbst zu erbringen. Daraus folge aber nicht, dass der Chefarzt jeden Behandlungsschritt persönlich auszuführen habe. Im Kern geht es dabei um die Frage, welche ärztlichen und sonstigen medizinischen Verrichtungen der Arzt im Sinne der gebührenrechtlichen Regelung des §+4 Abs. 2 S. 1 GOÄ delegieren dürfe und welche er höchstpersönlich erbringen müsse. Im Bereich der nichtoperativen Fächer werde die Regie über die Diagnostik und die Therapie als nicht delegationsfähige Hauptleistung anzusehen sein, während Einzelschritte delegationsfähig seien. Bei einer internistischen oder einer psychiatrischen Behandlung sei es erforderlich, dass der Chefarzt der wahlärztlichen Behandlung durch persönliches Befassen mit dem Patienten zu Beginn, während und zum Abschluss der Behandlung sein persönliches Gepräge gebe. Erforderlich und ausreichend sei es, dass die Chefärztin einer Klinik für psychosomatische Medizin das Behandlungskonzept ihrer Wahlleistungspatienten entwickelt und überwacht habe, selbst regelmäßig Therapiemaßnahmen durchgeführt und die Behandlung im Übrigen durch Supervision, Nachbesprechungen und Übergabegespräche koordiniert und gesteuert habe. Bei operativen Fachgebieten hingegen müsse regelmäßig die Operation als Kernleistung vom liquidationsberechtigten Arzt höchstpersönlich durchgeführt werden, soweit kein zulässiger Vertretungsfall vorliege.
Die Entscheidung des OLG Celle wird Vorbild für die zukünftige Rechtsprechung sein. Das Urteil hat Klarheit darüber geschaffen, dass die Benennung mehrerer ärztlicher Vertreter zulässig ist und nicht zur Unwirksamkeit der Wahlarztvereinbarung führt. Voraussetzung ist aber, dass die benannten ständigen ärztlichen Vertreter jeweils aus verschiedenen Arbeits- und Zuständigkeitsbereichen der Klinik des jeweiligen liquidationsberechtigten Chefarztes kommen. Die ständigen ärztlichen Vertreter müssen also jeweils einen eigenen fachlich und organisatorisch abgrenzbaren Arbeitsbereich der Klinik abdecken (z. B. in einer Klinik für Gynäkologie und Geburtshilfe: Bereich Geburtshilfe und Pränatalmedizin; Bereich für gynäkologische Onkologie; Bereich für Kinderwunschbehandlung; Bereich für Kontinenz- und Beckenbodenzentrum usw.). Diese Auffassung berücksichtigt in angemessener Weise die mit einer Chefarztbehandlung gewünschte individuelle Schwerpunktbildung aus Sicht des Patienten.
Köln im September 2015