Dtsch Med Wochenschr 2016; 141(04): 246
DOI: 10.1055/s-0042-100096
Dossier
Unklarer Gewichtsverlust
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Frage nach Gewichtsverlauf ist ein Muss

Question about weightloss is a must
J. Mössner
1   Klinik und Poliklinik für Gastroenterologie und Rheumatologie, Department für Innere Medizin, Neurologie und Dermatologie, Universitätsklinikum Leipzig
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Publication Date:
17 February 2016 (online)

Unklarer Gewichtsverlust ist nicht selten ein Grund zur weiteren ambulanten oder stationären diagnostischen Abklärung. Patienten empfinden Gewichtsverlust als bedrohliches Symptom und assoziieren ihn oft mit einer malignen Erkrankung. Ein Gewichtsverlust kann einziges Symptom, Hauptsymptom oder Nebensymptom zahlreicher Erkrankungen sein. Er kann gewollt herbeigeführt und nicht mit einer Erkrankung assoziiert oder aber Symptom einer Anorexia nervosa sein. Die Frage nach dem Gewichtsverlauf ist ein „Muss“ bei nahezu jeder Anamnese.

Zur Trias der prognoserelevanten B-Symptomatik gehört neben Fieber und Nachtschweiß auch ein ungewollter Gewichtsverlust von mehr als 10 % des Körpergewichtes in 6 Monaten. Dies betrifft z. B. maligne Erkrankungen wie M. Hodgkin oder Non-Hodgkin-Lymphome und Infektionskrankheiten wie Tuberkulose oder eine HIV-Infektion. In vielen Kirchenbüchern der vergangenen Jahrhunderte steht als Todesursache „Auszehrung“. Hier handelte es sich in der Regel um eine Tuberkulose.

Das Thema Gewichtsverlust ist so umfassend, dass im Rahmen dieses Dossiers zahlreiche Krankheitsentitäten nicht besprochen werden können Wir haben uns für die drei wichtigen Themenfelder psychische Ursachen, Erkrankungen des Gastrointestinaltraktes und Malignome entschieden.

Einem Gewichtsverlust bei Tumorpatienten können unterschiedlichste Pathomechanismen zugrundeliegen, z. B. reduzierte Nahrungszufuhr bei mangelndem Appetit (Anorexie, Inappetenz), erhöhter Energieverbrauch (Katabolismus) durch den Tumor, Störung der Assimilation von Nahrung aufgrund Beeinträchtigung unterschiedlichster Funktionen des Gastrointestinaltraktes. Bleibt die Tumorsuche mittels Bildgebung ohne Ergebnis, ist ein Tumor als Ursache des Gewichtsverlusts eher unwahrscheinlich. Eine rein paraneoplastisch bedingte Anorexie oder katabolische Stoffwechsellage bei einem noch sehr kleinen Malignom, das der Bildgebung entgeht, dürfte eine Rarität sein. Wesentliche Aufgabe des Gastrointestinaltraktes ist es, dem Körper die mit der Nahrung aufgenommene notwendige Energie zuzuführen. Das mag zwar banal klingen, ist jedoch die Ursache für die zahlreichen gastrointestinalen Ursachen des Gewichtsverlusts. Die Anorexia nervosa weist unter den psychischen Erkrankungen eine der höchsten Mortalitätsraten auf. Patienten leugnen die Erkrankung – dadurch begibt sich der Arzt mittels umfangreicher Diagnostik erfolglos auf die Suche nach einer organischen Genese des Untergewichts.

Die Beiträge enthalten wieder praxisrelevante Diagnostik- und Therapiekonzepte – ich wünsche Ihnen eine spannende Lektüre.