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DOI: 10.1055/s-0042-100869
Fragen aus der Facharztprüfung Psychotherapie und Psychotherapie
Publikationsverlauf
Publikationsdatum:
15. Februar 2016 (online)
Wenn der Patient eine geschlossene Frage, d. h. eine „Ja/Nein-Frage“, bejaht, sollte er um Beispiele oder nähere Erläuterung gebeten werden, um das tatsächliche Vorhandensein des Phänomens zu überprüfen. Man kann nicht selbstverständlich davon ausgehen, dass der Patient die Frage so versteht, wie der Explorateur sie gemeint hat.
Ja, z. B. um die Unkorrigierbarkeit einer wahnhaften Überzeugung zu prüfen, nicht aber um den Patienten vom Gegenteil zu überzeugen.
In gezielter und dosierter Weise können konfrontative Elemente (Widerspruch, Zweifel, Bewertungen) benutzt werden, um die Festigkeit einer Überzeugung, Urteils und Kritikfähigkeit zu prüfen, aber auch um emotionale Aspekte der Interaktion zu evaluieren (z. B. Reaktion auf Kritik, Empathiefähigkeit etc.).
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Bei quantitativen Bewusstseinsstörungen besteht eine herabgesetzte (Bewusstseinsminderung) oder – seltener – gesteigerte Vigilanz (Wachheit). Zu den quantitativen Bewusstseinsstörungen gehören u. a. Benommenheit, Somnolenz, Koma, Hypervigilität.
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Qualitative Bewusstseinsstörungen sind Bewusstseinstrübung, -einengung und -Verschiebung. Zu erkennen sind sie an der Beeinträchtigung von Aufmerksamkeit, Auffassung und Orientierung.
Quantitative Bewusstseinsstörungen können mit Schlaf- Wach-Skalen erfasst werden. Qualitative Bewusstseinsstörungen gehen mit einer Bewusstseinsveränderung einher, bei der die normalen psychischen Abläufe gestört sind. Dazu zählen u. a. kognitive, affektive und psychomotorische Störungen, sowie Wahrnehmungsstörungen (z. B. Halluzinationen). Sie können von einer quantitativen Bewusstseinstörung (z. B. Schläfrigkeit) begleitet sein, aber auch von psychomotorischer Erregung.
Bei der akuten Form des amnestischen Syndroms (z. B. im Rahmen einer transienten globalen Amnesie) bestehen oft auch Ratlosigkeit und repetitives Fragen, während die Fortführung von Routinetätigkeiten und der Rapport erstaunlich unauffällig sein können. Um die Schwere der Merkfähigkeitsstörung und den Umfang einer retrograden Amnesie abschätzen zu können, sind gezielte Fragen zur Prüfung dieser Funktionen notwendig.
Kennzeichnend sind die 3 obligatorischen Symptome:
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Gedächtnisstörungen (Merkfähigkeitsstörungen und Störungen des Altgedächtnisses),
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Desorientierung,
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Konfabulation (phantasierte Erzählungen um Gedächtnislücken zu füllen).
Als akzessorische Symptome können u. a. Halluzinationen, Wahnphänomene und affektive Störungen hinzukommen.
Wofür steht er eigentlich?
Er steht für ein akutes reversibles organisches Psychosyndrom ohne Bewusstseinstrübung (und ohne Orientierungsstörung), z. B. mit mnestisch-kognitiver, affektiver oder paranoid-halluzinatorischer Symptomatik.
Der von Hans Heinrich Wieck geprägte Begriff des Durchgangssyndroms wird heute oft global für reversible organische Psychosyndrome im Zusammenhang mit internistischen oder chirurgischen Erkrankungen benutzt, er sollte aber auf akute organische Psychosyndrome ohne Bewusstseinstrübungen beschränkt bleiben.
„Wie heißen Sie?“
„Auguste.“
„Familienname?“
„Auguste.“
„Wie heißt Ihr Mann?“
„Auguste.“
„Ihr Mann?“
Ach so, mein Mann...“
Welche Störung des formalen Denkens manifestiert sich hier?
Ärztin: „Warum sind Sie nach Berlin gefahren?“ Der Patient berichtet in schnellem Sprechtempo: „Ich wollte meine Schwester besuchen, die wohnt im Wedding, meine Schwester. Wedding heißt auf Englisch Hochzeit, wissen Sie das? Sind Sie verheiratet, Frau Doktor? Verliebt, verlobt, verheiratet. Entschuldigung, ich wollte nicht persönlich werden.“
Der Begriff „Ideenflucht“ beschreibt ein flüchtiges, einfallsreiches, von Assoziationen bestimmtes Denken mit ständigem Wechsel des Denkziels und erhöhter Ablenkbarkeit durch Außeneindrücke; die assoziativen Brücken zwischen den Gedanken sind jedoch noch erkennbar. In ihrer typischen Form ist die Ideenflucht recht charakteristisch für das manische Syndrom.
Für die Beurteilung, ob die Diagnose eines Pathologischen Stehlens (einer Kleptomanie) zu stellen ist, sind folgende Aspekte relevant:
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Bericht über eine steigende Spannung vor der Tat und ein Gefühl der Befriedigung während und sofort nach der Tat,
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Stehlen „nutzloser“ Dinge,
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nicht alle Möglichkeiten zum Verbergen werden ausgenutzt,
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Ausführen des Diebstahls allein, ohne Komplizen,
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Angst, Verzagtheit oder Schuldgefühle zwischen den Diebstählen, die aber nicht den Rückfall verhindern.
Man kann Wahn durch 3 Merkmale charakterisieren:
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Unmöglichkeit des Inhalts,
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Unkorrigierbarkeit,
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absolute subjektive Überzeugung (apriorische Evidenz).
Wahn ist eine aus krankhafter Ursache entstehende, (im Sinne der Umwelt) irrige, gegenwärtig nicht korrigierbare Überzeugung von unmittelbarer Gewissheit, meist im Sinne der Eigenbeziehung; obwohl im Widerspruch zur Realität stehend, wird sie dennoch als unmittelbar evident erlebt (Wahngewissheit); es besteht kein Bedürfnis nach Begründung dieser Fehlbeurteilung.
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Wichtig ist die Unterscheidung zwischen synthymem (stimmungskongruentem) und katathymem (stimmungsinkongruentem) Wahn.
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Auch die Qualifikation eines Wahninhalts als „bizarr“ kann diagnostisch bedeutsam sein.
Für die Abgrenzung affektiver von schizoaffektiven Störungen und von der Schizophrenie ist von Bedeutung, ob ein Wahn stimmungskongruent ist (z. B. Schuldwahn, Verarmungswahn, hypochondrischer Wahn im Rahmen einer Depression, Größenwahn im Rahmen einer Manie) oder nicht. Bizarrer Wahn (phantastische Inhalte) gilt als typisch für Schizophrenie; teilweise überschneidet sich diese (v. a. in der englischsprachigen Literatur gebräuchliche) Terminologie mit dem Begriff der psychotischen Ich-Erlebnisstörungen.
Der Begriff bezieht sich auf eine besondere Qualität des emotionalen Erlebens als Vorstufe manifesten Wahns.
Der Patient ist sich gewiss, dass „etwas Bedeutsames im Gange ist“, ohne es im Einzelnen benennen zu können. Charakteristisch ist eine Atmosphäre des persönlichen Betroffenenseins, der Erwartungsspannung und des bedeutungsvollen Angemutetwerdens in einer verändert erlebten Welt. Diese Stimmung kann ängstlich, argwöhnisch, misstrauisch, verunsichert oder ratlos sein, aber auch gehoben, feierlich, ekstatisch.
„Mein Mann ist ausgetauscht worden. Er sieht zwar noch fast genauso aus wie früher, aber ich bin mir sicher, sie haben ihn durch einen Agenten ersetzt.“
Beim Capgras-Syndrom handelt es sich um eine wohnhafte Identitätsstörung mit der Überzeugung, dass eine bekannte Person (meist der Partner oder ein naher Angehöriger) durch einen Doppelgänger ersetzt worden ist. Erstbeschreibung durch Jean Marie Joseph Capgras 1923. Meist bei schizophrenen Psychosen, aber auch bei hirnorganischen Störungen.
Für welche?
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Gedankeninterferenz,
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Perseverieren,
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Gedankendrängen,
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Gedankenabbrüche,
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Störungen der rezeptiven Sprache,
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Störungen in der Unterscheidung zwischen Phantasie und Realität,
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Eigenbeziehungsideen,
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Derealisation,
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optische und akustische Wahrnehmungsveränderungen.
Die Frage, inwiefern Patienten, die eine Schizophrenie entwickeln, bereits in der Prodromalphase identifiziert (und behandelt) werden können, wird noch kontrovers diskutiert und ist Gegenstand der gegenwärtigen Forschung. Viele Symptome der Prodromalphase scheinen unspezifisch zu sein und von begrenzter prädiktiver Wertigkeit. Diejenigen Prodromal- oder Basissymptome, die schizophrenietypischen Wahrnehmungsveränderungen oder Ich-Störungen nahe stehen, scheinen eine höhere prognostische Bedeutung zu haben.
„Ich lebe gar nicht mehr, bin schon tot, meine Organe sind verfault.“
Das 1882 von Jules Gotard als „delire de negation“ beschriebene Syndrom ist durch nihilistische Ideen gekennzeichnet. Diese reichen von der Überzeugung des Patienten, dass er seine Kräfte, seinen Verstand oder bestimmte Organe verloren hat bis zur Verneinung der eigenen Existenz und der Existenz der Welt. Es kommt vor bei schweren depressiven Syndromen, aber auch im Rahmen einer Schizophrenie.